Von den Ozarkgebirgen zum Silbersee
Verfasst: 13.6.2005, 13:55
Ich habe hier ja schon in einigen Threads ein paar Vergleiche zwischen Texten von Karl May und Friedrich Gerstäcker vorgestellt. Hier nun sei einer Anregung gefolgt, die Andreas Graf 1997 in seinem KMG-Jahrbuch-Artikel „Von Öl- und anderen Quellen“ gibt: Natürlich liegt es nahe, nachdem Mays Benutzung von Gerstäckers ›Mississippi-Bildern‹ nachgewiesen ist, diesen Sammelband insgesamt einmal genauer zu betrachten und auf weitere mögliche Quellen – entweder für ›Schatz im Silbersee‹ oder andere May-Texte – hin zu untersuchen. Besonders interessant in dieser Hinsicht ist Gerstäckers Erzählung ›Die Silbermine in den Ozarkgebirgen‹. Der Begriff Ozark, von May nur selten verwendet, taucht nämlich tatsächlich auch im ›Schatz im Silbersee‹ einmal auf (S. 70), wenn auch als Städte- und nicht als Gebirgsname.
Dazu sei zunächst einmal angemerkt, daß der Begriff Ozark außer der genannten Stelle im „Schatz im Silbersee“ – Der Steamer hatte während des Nachmittages Ozark, Fort Smith und Van Buren passiert (...) - noch in „Deadly Dust/Winnetou III“ (auch zitiert in „Old Surehand I“) – Zwischen Texas, Arizona, Neu-Mexiko und dem Indianer-Territorium, oder anders ausgedrückt, zwischen den Ausläufern des Ozarkgebirges, (...) liegt eine weite, furchtbare Strecke Landes (...) – ähnlich in „Der Dichter/Der Pfahlmann“ Zwischen Texas, Neu-Mexiko, dem Indiana-Territorium und dem nach Nordosten streichenden Ozarkgebirge liegt eine weite Landesstrecke (...) / Er hatte mit einer Gesellschaft von Westmännern Santa Fé verlassen, um über das Ozarkgebirge Arkansas zu erreichen (...) – sowie in „Deutsche Herzen, Deutsche Helden“ – »Es wurde mir da hinter den Ozarkbergen gestohlen, als ich in einem kleinen, verlassenen Settlement übernachtete. (...)« – erwähnt wird. May verwandte den Ausdruck also wirklich nur sehr selten, außerdem dürfte dieser natürlich auch auf einigen Karten eingezeichnet gewesen haben, was als Quelle für die Zitatstellen völlig ausgereicht hätte, da May die Ozarkgebirge als Schauplatz für eine Handlung nicht benutzte.
Aber auch der Inhalt von Gerstäckers kleiner Erzählung vermag den Leser kaum an eine Karl-May-Geschichte zu erinnern. Natürlich ist das allgemeine Thema der Suche nach Gold und Silber auch bei May zu finden, die Art des fatalen Verlaufes der Geschichte findet man ferner auch in so kleinen Skizzen wie „Die Rache des Mormonen“ oder „Der Mistake-Canon“, doch bei einer Erzählung, in der eine Gruppe von Männern einer anderen nachspioniert, die sich von Zeit zu Zeit aus einer geheimen Mine mit Edelmetall versorgt, und es dann letztlich zum für fast alle Beteiligten tödlichen Showdown kommt, assoziiert man dann doch eher „Der Schatz in der Sierra Madre“ als „Der Schatz im Silbersee“.
Im Detail betrachtet, erinnern einzelne Textpassagen der Gerstäcker-Erzählung jedoch durchaus an entsprechende Textstellen bei Karl May. Dies gilt insbesondere für den Anfang. Die vielleicht ungewöhnlichste und zugleich eindringlich plastischste Einleitung eines „Guten Kamerad“-Romanes bietet „Der schwarze Mustang“: Da reiten die beiden Brüder Timpe durch ein tief in die Felsen eingeschnittenes Flußtal, während hoch über ihnen auf den Berghügeln ein schweres Gewitter tobt. Ebenso intensiv geschildert präsentiert sich nun aber auch der gleichartige Beginn von Gerstäckers Erzählung „Die Silbermine in den Ozarkgebirgen“. Hier befinden sich anfangs während eines Unwetters zwei Westleute zwar nicht sogleich unten in der Schlucht, sondern zunächst auf dem Weg hinab, auch sind sie nicht beritten, sondern zu Fuß unterwegs. Ferner gibt es keine prägnanten wortwörtlichen übereinstimmenden Phrasen in beiden Texten, ob May die gleichartige Situation von Gerstäcker bewußt, unbewußt oder gar nicht kopierte, läßt sich also nicht sagen. Dennoch lohnt sich eine Gegenüberstellung, und wenn auch nur, weil beide Texte so schön die Atmosphäre der jeweiligen schwerfeuchten Wetter beschreiben:
May- Der schwarze Mustang: Ein schwerer Sturm peitschte den dichtströmenden Regen gegen die sich vor ihm beugenden Tannenwipfel des Hochwaldes; fingerstarke Wasserfäden flossen an den Riesenstämmen nieder und vereinigten sich an den Wurzeln zu erst kleinen, nach und nach aber immer größer werdenden Bächen, welche in zahllosen Wasserfällen von Fels zu Fels in die Tiefe stürzten, um unten in dem engen Thale von dem hochaufgeschwollenen Flusse aufgenommen zu werden. Es war Nacht geworden; von Minute zu Minute rollte ein zürnender Donner über die Tiefe hin, doch, so hell und grell der Blitz jedesmal dabei leuchtete, fiel der Regen so »korpulent« herab, wie der Westmann sich auszudrücken pflegt, daß man trotzdem kaum fünf Schritte weit zu sehen vermochte.
Der rasende Sturm traf oben den Hochwald und die Felsenklippen; seine Macht jedoch reichte nicht bis in die Tiefe, wo die Riesentannen im nächtlichen Dunkel unbeweglich standen, aber es war da auch nicht still, denn die Wasser des Flusses rauschten und brausten so erregt zwischen den Ufern dahin, daß nur ein ungemein scharfes Ohr es hören konnte, daß zwei einsame Reiter flußabwärts geritten kamen; zu sehen waren sie nicht.
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: Der Donner rollte dumpf und drohend über den hohen Wipfeln der Ozarkgebirge hin, schmetternd sein Echo fordernd aus den dunklen Schluchten und die Nebel niederpressend in den engen, schroff in die Hänge gerissenen Thäler. Der Blitz zischte dabei grell und flammend an den Felsen nieder, der ganzen wilden Landschaft und dem falben Lichte des scheidenden Tages eine eigene, unheimliche Beleuchtung gebend. Der Regen rasselte in Strömen auf die dichtbelaubten Eichen und Hickories nieder, wurde aber trotzdem von dem durstigen Boden aufgefangen, ehe er das tiefliegende Bett des kleinen Flüßchens „Hurricane“ erreichen konnte, in dem das Wasser jetzt nur in kleinen Lachen stand.
Da klommen, als das Gewitter gerade den höchsten Punkt erreicht zu haben schien und Schlag auf Schlag, von vielfältigen Echo verdoppelt, in den Schluchten dahinrast, zwei Jäger, in große, weiße wollene Decken gehüllt, die die ganze Figur, fast bis auf die befranzten Moccasins hinunter, bedeckten, an den steilen Seitenwänden nieder, welche den Hurricane von seinen Quellen bis dahin, wo er sich in den Mulberry ergießt, umgeben. Sie hielten auch nicht eher, als sie sich auf dem untersten, terrassenförmigen Vorsprung befanden, von dem aus sie das steinige Bett des Flusses, das dicht in die ihn starr und steil umgebenden Felsen eingezwängt liegt, übersehen konnten.
May- Der schwarze Mustang: (...) Das Thal wurde bald so eng, daß nur wenig Raum zwischen dem Flusse und der beinahe senkrecht aufsteigenden diesseitigen Felswand blieb. (...) Die Unterhaltung wurde fortgesetzt, natürlich ziemlich einsilbig, wie es die Oertlichkeit und Lage mit sich brachte. Es verging eine Viertelstunde und noch eine. Da machte der Fluß eine scharfe Biegung nach der Seite, auf welcher sich die beiden Reiter befanden; er hatte das hier erdige Ufer unterwaschen;
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...).Damit, und ohne die Antwort seines Gefährten abzuwarten, klomm er einen schmalen Hirschpfad, der an den Fluß hinunter führte, abwärts und stand bald, von Jenem gefolgt, an dem steinigen Bett des Hurricane, und zwar gerade da, wo dieser in einer Biegung, und in Folge einer unterirdischen Quelle, ein kleines Becken von tiefen, obgleich gegenwärtig durch den Regen etwas getrübten Wasser enthielt.
May- Der schwarze Mustang: (...) Der Regen hatte nach einem heftigen Donnerschlage plötzlich aufgehört, und die Wolken waren vom Sturme zerteilt worden. Zwischen ihnen blickten helle, blaue Stellen des Himmels hernieder, und die beiden Männer konnten gegenseitig ihre Gesichter erkennen.
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...) Das Gewitter ließ jetzt nach; weit im fernen Norden verhallte der Donner, und an vielen stellen schaute der blaue, azurne Himmel durch die weißlich grauen Wolkenschleier, die, von einem frischen Südostwind gejagt, in langen, wehenden Streifen über das Thal hinwegzogen
Natürlich gibt es im „Schwarzen Mustang“ auch noch die Suche nach der fabelhaften „Bonanza of Hoaka“, wobei das unredliche Verhalten des Westmannes Majestät und seiner Leuten, die das vermeintlich friedliche Halbblut Yato-Inda übervorteilen wollen, gleichfalls an das Vorhaben der beiden Jäger bei Gerstäcker erinnert, die Lage der nur den Mexikanern bekannte Silbermine notfalls auch durch Anwendung von Gewalt zu erfahren..
Ob May den Gerstäcker-Text auch für „Der Schatz im Silbersee“ auswertete, läßt sich ebenso nur spekulativ beantworten. Zwar erinnert etwa die mißglückte Verfolgung des Brinkleys im Dunklen durchaus an eine entsprechende Passage aus dem Text von Gerstäcker, wobei sich ein derartige Inspiration mangels wortwörtlicher Zitate jedoch ebenfalls nicht beweisen läßt. Zudem sollte man meinen, daß die Phantasie eines Schriftsteller ausreichen solle, um solche Szenerien selbstständig ohne jedes Vorbild zu beschreiben, da keinerlei spezielles Wissen verarbeitet werden muß.
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...) in wenigen Minuten waren Beide in der Dunkelheit des Waldschattens verschwunden; in demselben Augenblick aber raschelten die Büsche, und fünf finstere Gestalten brachen durch die Sträuche (...)
da mahnte eine schnelle, gebieterische Geberde ihres Führers zum schweigen , und wie eben so viele, aus dunklem Marmor gehauene Figuren standen die Männer, ohne auch nur zu athmen und lauschen hinein in den stillen, in heiliger Ruhe sie umgehenden Wald.
Einen Augenblick herrschte Todesschweigen, da scholl das krachen eines dürren Astes an ihr Ohr – da noch einmal. Und mit lauten Freudenruf (...) sprangen die fünf kräftigen Männer an der fast steilen Felswand, die Das Thal einschloß, hinauf und folgten der Richtung, in der sie das Geräusch gehört hatten.
(...) Preston riß gerade noch zur rechten Zeit seinen Gefährten in eine kleine Schlucht hinein, (...) als eine lange, dunkle Gestalt an ihnen vorbeisprang und dem Dickicht zueilte
May- Der Schatz im Silbersee: Der Rotbärtige rannte wie einer, der sein Leben zu retten hat. Droll stürmte, was er konnte, hinter ihm her.
(...)
Jetzt hatte der Cornel den Lichtkreis des Feuers hinter sich und verschwand in dem Dunkel, welches unter den Bäumen herrschte.
»Stehen bleiben, beim Himmel, stehen bleiben, Droll!« schrie Old Firehand voller Zorn nun zum fünftenmal.
(...)
»Aber um einen Menschen im Walde zu ergreifen, muß man ihn sehen oder wenigstens hören, wenn es des Nachts ist. Indem Sie selbst laufen, wird für Sie das Geräusch seiner Schritte unhörbar. Verstanden? (..) Ich wette, er ist so klug gewesen, gar nicht weit zu gehen. Er ist nur ein kleines Stück in den Wald hinein und hat sich dann hinter einen Baum gesteckt, um Sie in aller Gemütlichkeit an sich vorübersausen zu lassen. (...) Wir hätten uns, sobald wir uns im Dunkel des Waldes befanden, niedergelegt und gelauscht. Mit den Ohren an der Erde hätten wir seine Schritte gehört und die Richtung derselben beurteilen können. (...)«
Eine ähnliche nächtliche Verfolgung gibt es noch in „Winnetou I“, als Old Shatterhand dem Schurken Santer nacheilt, doch dürfte sich May dabei wie auch bei dem geschilderten Versuch, die Kiowas in einer Cannon-Falle einzuschließen, dann doch direkt an die entsprechenden Szenen aus dem „Schatz im Silbersee“ erinnert haben.
Dazu sei zunächst einmal angemerkt, daß der Begriff Ozark außer der genannten Stelle im „Schatz im Silbersee“ – Der Steamer hatte während des Nachmittages Ozark, Fort Smith und Van Buren passiert (...) - noch in „Deadly Dust/Winnetou III“ (auch zitiert in „Old Surehand I“) – Zwischen Texas, Arizona, Neu-Mexiko und dem Indianer-Territorium, oder anders ausgedrückt, zwischen den Ausläufern des Ozarkgebirges, (...) liegt eine weite, furchtbare Strecke Landes (...) – ähnlich in „Der Dichter/Der Pfahlmann“ Zwischen Texas, Neu-Mexiko, dem Indiana-Territorium und dem nach Nordosten streichenden Ozarkgebirge liegt eine weite Landesstrecke (...) / Er hatte mit einer Gesellschaft von Westmännern Santa Fé verlassen, um über das Ozarkgebirge Arkansas zu erreichen (...) – sowie in „Deutsche Herzen, Deutsche Helden“ – »Es wurde mir da hinter den Ozarkbergen gestohlen, als ich in einem kleinen, verlassenen Settlement übernachtete. (...)« – erwähnt wird. May verwandte den Ausdruck also wirklich nur sehr selten, außerdem dürfte dieser natürlich auch auf einigen Karten eingezeichnet gewesen haben, was als Quelle für die Zitatstellen völlig ausgereicht hätte, da May die Ozarkgebirge als Schauplatz für eine Handlung nicht benutzte.
Aber auch der Inhalt von Gerstäckers kleiner Erzählung vermag den Leser kaum an eine Karl-May-Geschichte zu erinnern. Natürlich ist das allgemeine Thema der Suche nach Gold und Silber auch bei May zu finden, die Art des fatalen Verlaufes der Geschichte findet man ferner auch in so kleinen Skizzen wie „Die Rache des Mormonen“ oder „Der Mistake-Canon“, doch bei einer Erzählung, in der eine Gruppe von Männern einer anderen nachspioniert, die sich von Zeit zu Zeit aus einer geheimen Mine mit Edelmetall versorgt, und es dann letztlich zum für fast alle Beteiligten tödlichen Showdown kommt, assoziiert man dann doch eher „Der Schatz in der Sierra Madre“ als „Der Schatz im Silbersee“.
Im Detail betrachtet, erinnern einzelne Textpassagen der Gerstäcker-Erzählung jedoch durchaus an entsprechende Textstellen bei Karl May. Dies gilt insbesondere für den Anfang. Die vielleicht ungewöhnlichste und zugleich eindringlich plastischste Einleitung eines „Guten Kamerad“-Romanes bietet „Der schwarze Mustang“: Da reiten die beiden Brüder Timpe durch ein tief in die Felsen eingeschnittenes Flußtal, während hoch über ihnen auf den Berghügeln ein schweres Gewitter tobt. Ebenso intensiv geschildert präsentiert sich nun aber auch der gleichartige Beginn von Gerstäckers Erzählung „Die Silbermine in den Ozarkgebirgen“. Hier befinden sich anfangs während eines Unwetters zwei Westleute zwar nicht sogleich unten in der Schlucht, sondern zunächst auf dem Weg hinab, auch sind sie nicht beritten, sondern zu Fuß unterwegs. Ferner gibt es keine prägnanten wortwörtlichen übereinstimmenden Phrasen in beiden Texten, ob May die gleichartige Situation von Gerstäcker bewußt, unbewußt oder gar nicht kopierte, läßt sich also nicht sagen. Dennoch lohnt sich eine Gegenüberstellung, und wenn auch nur, weil beide Texte so schön die Atmosphäre der jeweiligen schwerfeuchten Wetter beschreiben:
May- Der schwarze Mustang: Ein schwerer Sturm peitschte den dichtströmenden Regen gegen die sich vor ihm beugenden Tannenwipfel des Hochwaldes; fingerstarke Wasserfäden flossen an den Riesenstämmen nieder und vereinigten sich an den Wurzeln zu erst kleinen, nach und nach aber immer größer werdenden Bächen, welche in zahllosen Wasserfällen von Fels zu Fels in die Tiefe stürzten, um unten in dem engen Thale von dem hochaufgeschwollenen Flusse aufgenommen zu werden. Es war Nacht geworden; von Minute zu Minute rollte ein zürnender Donner über die Tiefe hin, doch, so hell und grell der Blitz jedesmal dabei leuchtete, fiel der Regen so »korpulent« herab, wie der Westmann sich auszudrücken pflegt, daß man trotzdem kaum fünf Schritte weit zu sehen vermochte.
Der rasende Sturm traf oben den Hochwald und die Felsenklippen; seine Macht jedoch reichte nicht bis in die Tiefe, wo die Riesentannen im nächtlichen Dunkel unbeweglich standen, aber es war da auch nicht still, denn die Wasser des Flusses rauschten und brausten so erregt zwischen den Ufern dahin, daß nur ein ungemein scharfes Ohr es hören konnte, daß zwei einsame Reiter flußabwärts geritten kamen; zu sehen waren sie nicht.
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: Der Donner rollte dumpf und drohend über den hohen Wipfeln der Ozarkgebirge hin, schmetternd sein Echo fordernd aus den dunklen Schluchten und die Nebel niederpressend in den engen, schroff in die Hänge gerissenen Thäler. Der Blitz zischte dabei grell und flammend an den Felsen nieder, der ganzen wilden Landschaft und dem falben Lichte des scheidenden Tages eine eigene, unheimliche Beleuchtung gebend. Der Regen rasselte in Strömen auf die dichtbelaubten Eichen und Hickories nieder, wurde aber trotzdem von dem durstigen Boden aufgefangen, ehe er das tiefliegende Bett des kleinen Flüßchens „Hurricane“ erreichen konnte, in dem das Wasser jetzt nur in kleinen Lachen stand.
Da klommen, als das Gewitter gerade den höchsten Punkt erreicht zu haben schien und Schlag auf Schlag, von vielfältigen Echo verdoppelt, in den Schluchten dahinrast, zwei Jäger, in große, weiße wollene Decken gehüllt, die die ganze Figur, fast bis auf die befranzten Moccasins hinunter, bedeckten, an den steilen Seitenwänden nieder, welche den Hurricane von seinen Quellen bis dahin, wo er sich in den Mulberry ergießt, umgeben. Sie hielten auch nicht eher, als sie sich auf dem untersten, terrassenförmigen Vorsprung befanden, von dem aus sie das steinige Bett des Flusses, das dicht in die ihn starr und steil umgebenden Felsen eingezwängt liegt, übersehen konnten.
May- Der schwarze Mustang: (...) Das Thal wurde bald so eng, daß nur wenig Raum zwischen dem Flusse und der beinahe senkrecht aufsteigenden diesseitigen Felswand blieb. (...) Die Unterhaltung wurde fortgesetzt, natürlich ziemlich einsilbig, wie es die Oertlichkeit und Lage mit sich brachte. Es verging eine Viertelstunde und noch eine. Da machte der Fluß eine scharfe Biegung nach der Seite, auf welcher sich die beiden Reiter befanden; er hatte das hier erdige Ufer unterwaschen;
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...).Damit, und ohne die Antwort seines Gefährten abzuwarten, klomm er einen schmalen Hirschpfad, der an den Fluß hinunter führte, abwärts und stand bald, von Jenem gefolgt, an dem steinigen Bett des Hurricane, und zwar gerade da, wo dieser in einer Biegung, und in Folge einer unterirdischen Quelle, ein kleines Becken von tiefen, obgleich gegenwärtig durch den Regen etwas getrübten Wasser enthielt.
May- Der schwarze Mustang: (...) Der Regen hatte nach einem heftigen Donnerschlage plötzlich aufgehört, und die Wolken waren vom Sturme zerteilt worden. Zwischen ihnen blickten helle, blaue Stellen des Himmels hernieder, und die beiden Männer konnten gegenseitig ihre Gesichter erkennen.
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...) Das Gewitter ließ jetzt nach; weit im fernen Norden verhallte der Donner, und an vielen stellen schaute der blaue, azurne Himmel durch die weißlich grauen Wolkenschleier, die, von einem frischen Südostwind gejagt, in langen, wehenden Streifen über das Thal hinwegzogen
Natürlich gibt es im „Schwarzen Mustang“ auch noch die Suche nach der fabelhaften „Bonanza of Hoaka“, wobei das unredliche Verhalten des Westmannes Majestät und seiner Leuten, die das vermeintlich friedliche Halbblut Yato-Inda übervorteilen wollen, gleichfalls an das Vorhaben der beiden Jäger bei Gerstäcker erinnert, die Lage der nur den Mexikanern bekannte Silbermine notfalls auch durch Anwendung von Gewalt zu erfahren..
Ob May den Gerstäcker-Text auch für „Der Schatz im Silbersee“ auswertete, läßt sich ebenso nur spekulativ beantworten. Zwar erinnert etwa die mißglückte Verfolgung des Brinkleys im Dunklen durchaus an eine entsprechende Passage aus dem Text von Gerstäcker, wobei sich ein derartige Inspiration mangels wortwörtlicher Zitate jedoch ebenfalls nicht beweisen läßt. Zudem sollte man meinen, daß die Phantasie eines Schriftsteller ausreichen solle, um solche Szenerien selbstständig ohne jedes Vorbild zu beschreiben, da keinerlei spezielles Wissen verarbeitet werden muß.
Gerstäcker – Die Silbermine in den Ozarkgebirgen: (...) in wenigen Minuten waren Beide in der Dunkelheit des Waldschattens verschwunden; in demselben Augenblick aber raschelten die Büsche, und fünf finstere Gestalten brachen durch die Sträuche (...)
da mahnte eine schnelle, gebieterische Geberde ihres Führers zum schweigen , und wie eben so viele, aus dunklem Marmor gehauene Figuren standen die Männer, ohne auch nur zu athmen und lauschen hinein in den stillen, in heiliger Ruhe sie umgehenden Wald.
Einen Augenblick herrschte Todesschweigen, da scholl das krachen eines dürren Astes an ihr Ohr – da noch einmal. Und mit lauten Freudenruf (...) sprangen die fünf kräftigen Männer an der fast steilen Felswand, die Das Thal einschloß, hinauf und folgten der Richtung, in der sie das Geräusch gehört hatten.
(...) Preston riß gerade noch zur rechten Zeit seinen Gefährten in eine kleine Schlucht hinein, (...) als eine lange, dunkle Gestalt an ihnen vorbeisprang und dem Dickicht zueilte
May- Der Schatz im Silbersee: Der Rotbärtige rannte wie einer, der sein Leben zu retten hat. Droll stürmte, was er konnte, hinter ihm her.
(...)
Jetzt hatte der Cornel den Lichtkreis des Feuers hinter sich und verschwand in dem Dunkel, welches unter den Bäumen herrschte.
»Stehen bleiben, beim Himmel, stehen bleiben, Droll!« schrie Old Firehand voller Zorn nun zum fünftenmal.
(...)
»Aber um einen Menschen im Walde zu ergreifen, muß man ihn sehen oder wenigstens hören, wenn es des Nachts ist. Indem Sie selbst laufen, wird für Sie das Geräusch seiner Schritte unhörbar. Verstanden? (..) Ich wette, er ist so klug gewesen, gar nicht weit zu gehen. Er ist nur ein kleines Stück in den Wald hinein und hat sich dann hinter einen Baum gesteckt, um Sie in aller Gemütlichkeit an sich vorübersausen zu lassen. (...) Wir hätten uns, sobald wir uns im Dunkel des Waldes befanden, niedergelegt und gelauscht. Mit den Ohren an der Erde hätten wir seine Schritte gehört und die Richtung derselben beurteilen können. (...)«
Eine ähnliche nächtliche Verfolgung gibt es noch in „Winnetou I“, als Old Shatterhand dem Schurken Santer nacheilt, doch dürfte sich May dabei wie auch bei dem geschilderten Versuch, die Kiowas in einer Cannon-Falle einzuschließen, dann doch direkt an die entsprechenden Szenen aus dem „Schatz im Silbersee“ erinnert haben.