Es ist natürlich auch gerade der Verdienst von Ralf Harders "Karl May und seine Münchmeyer-Romane", daß die Frage, ob in den Kolportageromanen im großen Stil interpoliert wurde oder nicht, eindeutig zu beantworten ist. Für mich etwa ist kaum nachvollziehbar, wie jemand heute noch ernsthaft die Interpolations-These aufrecht halten kann. Ich habe mich dazu ja schon mehrfach geäußert, zuletzt noch etwa in dem Thread "Die plastischen körperlichen Details" im KM+CO-Forum.
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http://www.karl-may-magazin.de/toastfor ... &tid=26781
Dazu vielleicht noch einige Ergänzungen: In dem "Geschliffenen Diamant"-Artikel "Im Schatten eines ‚Schundverlages'" schreibt Christoph F. Lorenz:
In der Tat haben detaillierte Recherchen von Klaus Hoffmann (Coswig) und Edmund Jendrewski (Berlin) 1969 gezeigt, dass ab dem Eintreten August Walthers 1881 eine gewisse Art Pikanterie in den Produktionen des Hauses Münchmeyer verstärkt zu finden ist. Dr. Lorenz Krapp urteilte schon 1906: "Die betreffenden Stellen sind so maßlos plump gehalten, daß die Fälschungen bzw. Interpolationen offen auf der Hand liegt." Gemeint sind vor allem wogende Busen und sonstige weibliche Attribute, die mit Vorliebe ertastet oder bloßgelegt werden, aber auch die daran geknüpten mythologischen Vergleiche üppiger Frauenschönheiten mit Venus, Kleopatra oder Hebe.
Eine solche Argumentation wirkt freilich nur dann halbwegs überzeugend, wenn man sie lediglich mit einer extra ausgewählten Textstelle, wie dem im "Geschliffenen Diamant" zitierten angeblichen Paradebeispiel für Interpolation, der Szene mit der nackten Karja, zu belegen versucht:
Jetzt sah er noch vielmehr als vorher, welche Schönheit er vor sich hatte. Seine Augen wurden größer, seine Lippen zitterten, und er sagte, sich kaum beherrschend: »Du bist mehr als eine Venus; Du bist eine Kleopatra!«
oder beim Tanz der Hannetta Valdez:
Ihre herrlichen Formen glänzten durch die spinnewebenartig durchsichtige Hülle; ihre volle, üppige Gestalt schien aus den unwiderstehlichen Formen einer Juno und Venus zusammengesetzt zu sein, und ihr prachtvoller Kopf, die feine Rundung ihres Profils und das sinnbethörende Feuer ihrer Augen waren geradezu unwiderstehlich.
oder dieser Beschreibung aus "Die Liebe des Ulanen":
Wie man es bei den Walachinnen gewohnt ist, so war auch Elma eine hohe, üppig volle Gestalt, deren Formen mehr an Juno als an Hebe erinnerten.
Bei einer komischen Textstelle wie dieser aus dem "Der verlorne Sohn" ist das Argument weit weniger überzeugend, da dort eine bloße Interpolation gar nicht möglich war, da hätte man schon den ganzen Dialog, die ganze Szene - und ist nur ein kleiner Ausschnitt zitiert - neu erfinden und hineinschreiben müssen.
»(...) Ich habe noch kein solches Mädchen gesehen, und das ist sehr viel gesagt bei den Erfahrungen, welche Unsereiner gesammelt hat.«
»Da haben Sie Recht. Sie ist eine Venus.«
»Das möchte ich nicht behaupten. Sie ist halb Juno und halb Diana, nämlich echt jungfräulich und doch dabei bereits üppig genug, um Herzen zu erobern.«
»Hm! Sie lieben also auch das Ueppige!«
»Eine fette Ente ist mir stets lieber, als eine magere Gans oder Henne. (...).«
Tatsächlich gibt es ja einige Handlungsstränge in Mays Kolportageromanen, in denen es gar nicht möglich ist, auf eine erotisierte Sprache zu verzichten und die mit bloßer Interpolation gar nicht erklärbar wären. Bezeichnenderweise sind solche Abschnitte bei den Bearbeitungen der 20er und 30er Jahre dann auch völlig unter den Tisch gefallen. Dies gilt besonders für einige spanischen und französischen Episoden im "Waldröschens", für weite Teile der "Sclaven der Schande"-Kapitel in "Der Verlorne Sohn" sowie für die Triester Mädchenhändler-Geschichte in "Der Weg zum Glück".
Aber selbst wenn man diese seinerzeit unterdrückten Kapitel außer acht läßt, steht die Behauptung, daß die Nennung mythologischen Schönheiten grundsätzlich als Indiz für eine interpolatierte Textstelle zu werten sei, auf wirklich schwachen Füßen. So werden die Göttinen etwa auch in den folgenden Zitaten genannt, ohne daß dabei auch nur eines der üblichen verdächtigen körperlichen Attribute erwähnt wird (Und das gilt, wie man sich überzeugen kann, auch vor und nach den Zitaten):
Das Waldröschen:
Rosa de Rodriganda, ihre Mutter, hatte sich in Beziehung auf Reiz und Schönheit getrost mit jeder Anderen messen können. So war es also zu erwarten gewesen, daß die Tochter dieser Beiden die vorzüglichen Eigenschaften ihrer Eltern in sich vereinigen werde. Und wirklich war die nordisch blonde Erscheinung Sternau's und die südlich dunkle Persönlichkeit Rosa's in Röschen zu einer Gestaltung zusammengeflossen, deren fast wunderbarer Zauber jedes Herz gefangen nehmen mußte. Sie war das verkörperte Bild einer Juno, einer Hebe und einer Kleopatra zu gleicher Zeit.
Der verlorne Sohn:
»Wir brauchen Geld, der Tannensteiner giebt es, und seine Tochter ist eine wahre Juno an Schönheit.«
Deutsche Herzen, deutsche Helden:
»Wie schön sie ist, wie wunderbar schön!« murmelte Leflor. »Ich habe noch niemals ein solches Mädchen gesehen. Sie hat nicht die dürre, langhalsige Gestalt und das hektische, gelangweilte und darum wieder langweilende Gesicht einer Yankeedame, aber auch nicht die übermäßigen Formen einer Millionärin aus niederländischem Blute, nicht das matte, charakterlose Blond einer Dame aus dem frommen Philadelphia und doch auch nicht den dunklen Teint einer übermüthigen und anspruchsvollen Bewohnerin von Baltimore. Sie ist eine Vermählung mit den Göttinnen von Juno, Venus und Flora. Man kann sie eigentlich nach gar keinem Typus classificiren, und - - ah!«
Der Weg zum Glück:
»Sie sollen die Rolle der Juno singen.« - »So! Wer die anderen?« - »Die Venus wird eine junge, unbekannte Collegin übernehmen. Sie heißt Mureni.«
Im letzten Zitat geht es um die Besetzung der Rollen im Entwurf der Oper
Götterliebe (Bei der tatsächlichen Aufführung sind die römischen Götter dann durch germanische ersetzt). Oder soll man allen Ernstes glauben, ein Interpolator habe auch Rollen und Handlung des schelmisch
Ehebruchgeschichte genannten Opernentwurfes eingeschmuggelt?
Außerdem ist der mythologische Göttervergleich keine Spezialität aus dem Hause Münchmeyer, sondern etwa auch bereits in den Schriften von Wilhelm Hauff zu finden, dessen Werk Karl May nachweislich beeinflußt hat (was natürlich kein Grund zur Annahme ist, der Göttervergleich sei nun tatsächlich von Hauff übernommen worden - ob dieser Tick von vielen zeitgenösische Autoren verwandt wurde, ob es sich dabei seinerzeit gar um eine richtiggehende Mode handelte - das alles entzieht sich meiner Kenntnis). Hier ein Beispiel aus "Der Mann im Mond":
Neben ihr die leichte, schlanke, sylphidenähnliche Gestalt Idas; nein, dieser Kontrast.! Sie hielt sich zwar kerzengerade wie eine Tanne, aber doch war das holde Lockenköpfchen ein wenig vorwärts gesenkt, das sanfte Auge oft niedergeschlagen in Demut, zeigte dennoch, wenn sie es aufschlug, so glänzenden Mut, so feurige Luft und Liebe, so gebietenen Ernst, daß es durch die sanfte Beredsamkeit überzeugender gebot als das Rollauge der gebietenen Gräfin. Und um wieviel anziehender war das Schelmengrübchen-Lächeln des süßen Mädchens, als das schrankenlose Lachen und Gurren der Gräfin, die durch ihre rauhe Stimme jedes Ohr verletzte. So schwebte Ida neben der Gräfin hin, so wie Juno und Hebe traten sie in das Zimmer.
Auch hat May die obligatorische ägyptische Herrscherin bereits in "Die Juweleninsel" erwähnt :
Man hätte vielmehr annehmen mögen, daß die Dame ein solches Gewand ä la Kleopatra nicht aus eigenem und freiem Antriebe gewählt habe, sondern durch irgend welche Umstände gezwungen worden sei es anzulegen.
... sowie später auch in "Im Lande des Mahdi" (Am Nile/Im Sudan):
... um mit dem Dichter zu sprechen, ein »nächtig-, mächtig-prächtiges« Wesen vor, mit den Zügen einer Kleopatra, Emineh oder Schefaka.
In arge Erklärungsnot kommt ein Interpolationverfechter auch, wenn er erklären will, warum eines der zahlreichen Gedichte, die May im "Waldröschen" den Kapitelanfängen vorausstellt, einen etwas pikanten Inhalt hat. Traut man dieses Niveau May noch zu oder hatte bei "der Tänzerin" etwa auch der geheimnisvolle Münchmeyer-Erotik-Beauftragte seine Hände im Spiel und tauschte ein harmloses May-Gedicht einfach aus? Wie gemein!
Ich sah Dich, hingegossen
Auf üppig weichem Samm't,
Von gold'nem Licht umflossen,
Von Liebesgluth umflammt.
Die heißen Blicke lockten
Mich hin zur süßen Ruh',
Und meine Pulse stockten,
So schön, so schön warst Du.
Ich sah Granaten blühen
In Deines Haares Pracht,
Sah Deine Augen glühen
Wie Sterne in der Nacht.
An Deinen Busen sank ich,
Vor Glück bald bleich, bald roth;
Von Deinen Lippen trank ich
Das Leben und - - - den Tod!«
Ob die Anzahl der
Pikanterien erst mit dem Eintritt Walthers signifikant zugenommen hat, kann ich nicht beurteilen, daß diese jedoch schon früher in Erzeugnissen des Münchmeyer-Verlages vorhanden waren, beweist nicht nur "Das Buch der Liebe" oder "Der Venustempel". Wie ich in einem Beitrag zum alten Stiftungsforum einmal schrieb, liest man dergleichen sinnliche Frauenbeschreibungen beispielsweise auch in Otto Freitags "Goldmacher"-Roman in den Heft 12 & 13 des 2. Jg. Des "Beobachters an der Elbe"
Der sinnenbethörende Glanz, die vom köstlichen Parfum durchschwängerte Luft verfehlten ihre Wirkung auf den Jüngling nicht, dessen Blut schneller durch die Adern rollte, seit er in diesen Raume weilte; wie im Traume blickte er umher, jeden einzelnen Gegenstand musternd und anstaunend, während vor seinem geistigen Auge eine feenhafte Gestalt auftauchte, den Zauberstab in der Hand, womit sie hervorgezaubert, was sich seinen Blicken darbot. [...] Alle die Träume und Fabeln, die an das märchenhafte Land der Indier erinnerte, und für die er in seinen Knabenjahren so oft geschwärmt, sie traten plötzlich mit einer Lebendigkeit vor seine Seele, daß er sich einen Augenblick wirklich unter den glühenden Himmelsstrich versetzt glaubte, unter welchem die Menschen feuriger lieben und schneller lebten, als in unserem kalten Norden.
Rebecca (...) war ein Mädchen von noch nicht zwanzig Jahren, und von der Natur mit der ganzen Überfülle der Reize ausgestattet, welche diese vorzüglich an den Kindern des Südens verschwendet. Von mittelgroßer Gestalt war sie eher zierlich als voll gebaut, ohne daß ihre Formen indeß der Rundung und Weichheit entbehrten, welche nötig sind, einen weiblichen Körper begehrenswerth erscheinen zu lassen. Ihr Haupt war von üppigem, schwarzen Haar umrahmt, welches in natürlicher Anmuth fessellos die prächtigen Schultern umfloß, die ein ausgeschnittenes Kleid von theurem, durchsichtigen Stoff dem Blicke neidlos darbot. Das liebliche Antlitz der schönen Jüden drückte Leidenschaftlichkeit und Herzensgüte aus, die tiefschwarzen Augen schwammen in einem feuchten Glanze, aus denen träumerische Schwermuth und unnennbare Sehnsucht strahlten, um das kirschrothe, zum Kusse einladene Lippenpaar machte sich ein reizender Zug bemerkbar, der auf den Eigenwillen eines launenhaften Kindes schließen ließ.
Zu Zeitpunkt des Abdruckes dieser Zeilen war Freitag noch Redakteur. Pikanterweise liest man erst nach dem Eintreten Mays als Redakteur in dem "Goldmacher"-Roman eine Stelle mit "wogende Busen":
Mit dem Ausdrucke des größten Entsetzens blickte Sie zu ihm auf, ihre Hände hatten die seinigen mit krampfhafter Gewalt umklammert, ihr Busen wogte in ungeheuerer Erregung auf und nieder. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, daß Mays Eintritt in den Münchmeyer-Verlag für dieses "wogende Busen"-Zitat verantwortlich sei.
Dabei gibt es auch bei May dererlei Stellen im Frühwerk, wobei die betreffenden Erzählungen nicht nur bei Münchmeyer erschienen und somit zur Verteiligung der Interpolationsthese in gleich allen Verlagen Erotik-Beauftragte vermutet werden müßten. Zu Mays Lebzeiten, da Frühtexte und der Doppelroman wie "Scepter und Hammer/Die Juweleninsel" nicht zum Vergleich vorlagen, mögen solche Argumentationen aufgrund von Unwissenheit noch ihre subjektive Berechtigung gehabt haben, aber heute? Nein - ob man nun das Argument von der
gewisse[n] Art Pikanterie, von den
wogende[n] Busen und sonstige[n] weibliche[n] Attribute oder von den
mythologischen Vergleiche üppiger Frauenschönheiten nimmt, alle diese Indiziengebäude brechen bei näherer Betrachtung in sich zusammen. Hier nun eine "bewegten Busen"-Frühtext-Zitatsammlung (einige der Textstellen sind auch in Harders Buch zu finden). Daüberhinaus gibt es natürlich noch "unbewegte" Exemplare:
Die Rose vom Ernstthal:
Die beiden Frauen hielten sich umschlungen; keine sprach ein Wort, jede suchte ihre Gefühle zu bemeistern, und doch schlugen die Busen gegen einander und verriethen den Sturm, welcher die Wogen ihrer Empfindung aufregte.
Old Firehand:
(...) deren Klang tief in ihr Herze drang und ihren jungfräulichen Busen erschwellen ließ unter süßen, sehnsüchtigen Gefühlen.
Herbstgedanken:
Wie an dem keuschen, unter dem Weh des Scheidens seufzenden und von hoffenden Wünschen geschwellten Busen der Geliebten ...(...)
Geographische Predigten:
Es ist jenes Empfinden der gegenwärtigen Kleinheit und Bedeutungslosigkeit, jenes Ahnen einer besseren und höheren Zukunft, welches das Herz beschleicht, den Busen schwellt und das Auge unwillkürlich mit wehmüthigen und doch wohlthuenden Thränen befeuchtet.
Das Buch der Liebe (in dem von May geschriebenen Teilen):
(...) und als süßes Zeichen und schönste Gabe der Liebe findet manch ein Röslein Platz am jungfräulich schwellenden Busen.
sowie:
(...) aber unter dem Drucke eines weichen Händchens, dem leuchtenden Blicke eines liebenden Auges, dem magnetischen Wogen eines warmen Busens sind sie zum Leben erwacht und beginnen eine Thätigkeit, deren Erfolge kaum in dem Bereiche einer Berechnung liegen.
Leilet:
Es lag so weich und wehe in dem engelgleichen Angesichte, und ein langer, tiefer und schwerer Athemzug hob den Busen, dessen Bewegung ich trotz der Hülle deutlich zu erkennen vermochte.
Der Waldkönig:
Ihr Busen ging hoch, ihre Lippen zuckten, und aus den halb geschlossenen Wimpern rollten zwei große, schwere Tropfen über die todesbleichen Wangen herab.
Quitzow:
Ihr wohlgenährter Busen gerieth in eine ganz ungewöhnlich convulsivische Bewegung und machte sich endlich durch ein Schluchzen Luft [...]
und:
Er fühlte die Fülle des Busens unter ihr erbeben; nie gekannte Regungen durchflutheten ihn, und es geschah ihm zum ersten Male in seinem Leben, daß er vor Verwirrung keine Worte fand.
sowie:
Sie blieb ihm die Antwort schuldig, aber ihre Hand führte die Seinige an das Herz; er fühlte das Wogen des vollen, weichen Busens, hörte den leisen, verlangenden Hauch ihres Odems und legte den Arm um sie.
Wobei in dem von Dr. Goldmann geschriebenen Schlußteil zu den "Quitzows" übrigens ganz züchtig kein Busen zuckt, wo war denn da bloß der Interpolator?.
Scepter und Hammer:
Er drückte sie an sich; er fühlte das entzückte Wogen ihres Busens an seiner Brust; er küßte sie wieder und immer wieder und ließ sie endlich leise auf den Divan gleiten.
und:
Sie lagen einander in den Armen, wortlos; aber der warme Busen, der an seiner Brust wogte, sagte ihm, wie schwer es ihr bisher geworden war die Gefühle zu beherrschen, von denen sie jetzt beim bloßen Klange ihres Namens übermannt worden war.
Die Juweleninsel:
"Meinen Sie?" antwortete sie mit keuchendem Athem und fliegendem Busen.
Schließlich ist da auch noch "Der Dichter" wo May sich allerdings wortwörtlich bei "Saat und Ernte" von Armand bedient hat - die wesentliche Szene habe ich in dem ‚Detail'-Thread bereits vorgestellt, hier noch ein paar kleinere Textstellen.
Ihr Busen wogte, und ihre Hand, welche die Korridorlampe ergriff, bebte, daß der Cylinder erklang.
und:
Sie bog sich in die weiche Lehne zurück, schloß die Augen und träumte süße, holde Bilder, die ihrem selig ahnenden Herzen entstiegen und ihren reinen Busen höher schwellen ließen. So lag sie lange, lange.
Übrigens ist auch bei Wilhelm Hauff dergleichen zu lesen; nochmals "Der Mann im Mond":
Und Ida? habt ihr, meine schönen Leserinnen, je ein geliebtes Bräutchen gesehen oder waret ihr es einmal oder - nun, wenn ihr es selbst noch seid, gratuliere ich von Herzen, nun, wenn ihr ein solches süßes Engelskind kennt, mit dem bräutlichen Erröten auf den Wangen, mit dem verstohlenen Lächeln das kußlichen Mundes, der sich umsonst bemüth, sich in ehrbare Matronenfalten zusammenzuziehen, mit der süßen, namenlosen Sehnsucht in denm feuchten, liebtrunkenen Auge, wenn ihr sie gesehen habt in jenen Augenblicken, wo sie dem geliebeten Mann, dem sie nun bald ganz, ganz gehören soll, verstohlen die Hand drückt, ihm die Wange streichelt, wenn sie den weichen arm vertrauensvoll um seine Hüfte schlingt, wie um eine Säule, an der sie sich anschmiegen, hinaufranken, gegen die Stürme des Lebens Schutz suchen will, wenn sie mit ihren unaussprechlichen Liebreiz die seidenen Wimpern aufschlägt und mit einem langen Blick voll Ergebenheit, voll Treue, voll Liebe an ihm hängt, wenn die Schneehügel des wogenden Busens sich höher und höher heben, das kleine, liebewarme Herzchen sich ungeduldig dem Herzen des Geliebten entgegendrängt - kennet ihr ein solches Mädchen, so wißt ihr, wie Ida aussah;
Im besagten "Detail"-Thread habe ich außerdem zu den wogenden und freigelegten Busen bereits Textstellen aus Ferrys "Waldläufer" zitiert und gefragt, warum May - dem ja schließlich bewußt ist, daß er einen Kolportageroman für einen "freizügigen" Verlag schreibt - nicht billig sein soll, was Ferry sich in seinem Roman erlaubt. Hier zur Verdeutlichung nochmals eine kleine Übersicht:
Es befand sich dort ein Wesen, dessen Lippen das Roth der Granatäpfel erbleichen ließ, die verschwenderisch auf dem Tische lagen, und deren Wangen die rosige Farbe der "Sandias" wieder strahlten; das war Donna Rosarota selbst. Ihr über den Kopf geworfener seidener Schleier bis dazwischen hindurch die glänzenden Flechten ihres Haares sehen und umgab mit seinen Falten das bezaubernde Oval ihres Gesichtes. / Der schmale Schleier verhüllte ihre Schultern, fiel aber nicht bis zur Taille hinab, deren reiche Umrisse durch einen scharlachenen Gürtel hervorgehoben wurden und unter den schillernden Falten des Schleiers verliehen strahlend weiße Arme den himmelblauen Rebozo einen neuen Glanz.
Auch beobachtete dieser (...) die lebhaften Farben der Wangen Rosarita's, das Blitzen ihrer Augen und die unregelmäßigen Bewegungen ihres Busens, welcher ihren Rebozo sich heben ließ.
Der seidene Schleier umhülte ihr Haupt und die zarten Falten desselben wogten bei jeder willkürlichen Bewegung, wie die Federn der Taube, über Hals und Schultern.
Diese Vermittlung des jungen Mädchens, deren Busen unter dem feinen Hemde sich hob und senkte, die mit aufgelösten Flechten und auf den Nacken zurückgeworfenem Schleier in ihrer stolzen und wilden Schönheit Ehrfurcht gebietend verstand, war allmächtig (...)
Auch Rosarita erbleichte unter der Rückwirkung ihrer Gemüthsbewegungen und verhüllte züchtig und ganz verwirrt durch das neue Gefühl, welches in ihr erwacht war, ihren entblößten Busen und ihre Schultern mit den Falten ihres Rebozo.
Der Rebozo, obgleich von May ebensowenig wie der wogene Busen in seine jugendfreie Bearbeitung des "Waldläufers" übernommen, taucht übrigens dafür erstmals in "Deadly Dust" auf, bekanntlich wird dort auch Ferrys "Waldläufer" erwähnt.
Eine allen gemeinsame Tracht dagegen besteht in dem Rebozo, einem vier Ellen langen Shawl, welcher zugleich als Kopfputz dient. Die Damen tragen ihn in Gesellschaft gewöhnlich über die Schulter gehängt, so ungefähr, wie man ihn bei uns zu tragen pflegt. Wenn man aber ausgehen, nach der Siesta seine Freundinnen besuchen oder abends promenieren will, so wird der Rebozo über den Kopf genommen; er bedeckt nach hinten zu die Frisur, läßt aber das Gesicht frei. Da er nun in der Regel fein und schleierartig ist, so kann er auch als Schleier benützt werden, und in diesem Falle bedeckt er nicht nur den Kopf, das Gesicht und die Schultern, sondern er hüllt die ganze Figur ein.
Weiterhin kommt der Rebozo auch in "Deutsche Herzen, deutsche Helden" zu Ehren, wobei May den "Waldläufer"-Roman im Zusammenhang mit Lord Eagle-nest ja ausdrücklich erwähnt und aus diesem auch mindestens solche speziellen Begriffe wie die
Sum(m)ach(en) und die
Papago-Indianer übernommen hat.
Sie trug ein leichtes, kurzes, rothes Röckchen, ein ebensolches vorn offenes Jäckchen und auf dem Kopfe einen spanischen Rebozo, einen Schleier, welcher zwar in Falten hoch genommen werden konnte, aber so lang war, daß er die ganze Gestalt wie ein leichter, durchsichtiger Mantel zu umhüllen vermochte.
Weitere letzte Rebozo-Zitate aus "Das Geldmännle" wollen wir uns hier sparen und statt dessen zum Thema zurückkehren. Das verbrecherische Halbblut Sang-Mélé: findet im "Waldläufer" Gefallen an der lieblichen Rosarita:
"Alles, was den Zweck hat, mich deshalb zu tadeln, daß ich so schnell wie möglich den Liebesdurst zu stillen suche, welchem mir diese weiße Wolke, diese Schneeflocke, diese Lilie des See's einflößt, klingt schlecht in meinen Ohren." [7. Buch, Das Versteck auf der Büffelinsel, S. 50]
Die gleichen lüsteren Gefühle gibt es auch im "Waldröschen":
Aus den Augen Pardero's leuchtete eine gefährliche, sinnliche Gluth. »Teufel, ja,« sagte er. »Ich gestehe aufrichtig, daß ich vor Lust brenne, sie willfährig zu sehen. Sie ist das schönste Mädchen, das ich kenne, und ich gebe viel darum, sie einmal - nun, als - als Frau zu besitzen!«
sowie:
Sie werden offen, und so will ich Ihnen ebenso ehrlich sagen, daß es mir ganz ebenso geht mit dieser Sennorita Emma. Ich habe mich in sie vergafft und bin wirklich ganz verliebt in den Gedanken, meine innigen Gefühle belohnt zu sehen. Freiwillig wird das nicht geschehen, aber wer kann uns widerstehen, wenn wir vereint handeln?
Und tatsächlich entführt der Sang-Mélé das Mädchen, um seinen
Liebesdurst zu stillen:
Erst beim Anblick der flammenden Augen des Mestizen, erst bei der abscheulichen Berührung seiner Arme, welche sie gierig umschlossen, hatte sie zum ersten Male mitten unter diesen schrecklichen Ereignissen das Bewußtsein von dem Schicksale, welches ihr aufbewahrt war. Jetzt erst stieß sie einen herzzerreißenden Schrei aus und schloß ohnmächtig die Augen." [8. Buch, Die rothe Gabel, S. 82]
Warum also sollte Karl May hier vom Vorbild des "Waldläufers" abweichen und den Schurken Verdoja nicht ebenso
gierig handeln lassen:
Emma lag noch ohnmächtig am Boden. Sie war nur mit einem leichten, feinen Hemde bekleidet, und die Augen des Wüstlings verschlangen die offenen Reize mit gierigen Blicken. Aber nicht jetzt wollte er sie genießen; jetzt war keine Muse dazu.
Womit wir wieder am Ausgangspunkt, dem Paradebeispiel der Interpolations-Argumentation von Lorenz angelangt wären ...