gast hat geschrieben: weil als Flüchtigkeitsfehler möchte ich dass nicht gelten lassen!!
warum nicht? Mir als Leser fällt dergleichen fast nie auf. Und wenn - mei, dann schüttel ich ein wenig amüsiert den Kopf und gebe mich wieder dem Erzählfluss hin.
Interessant sind solche Widersprüche und Schnitzer natürlich schon. Ich glaube allerdings nicht, dass es da irgendeinen narrativen Plan gibt und halte auch gar nichts davon, mit beckmesserischer Logik erklärend bzw. glättend einzugreifen. Dergleichen unsensibles Herumfuhrwerken im dichterischen Werk kann man getrost den Bearbeitern überlassen.
Ich finde es eigentlich, wenn mir dergleichen überhaupt auffällt, eher anrührend, wie sehr der Autor selbst von der "action" seiner erfundenen Welten mitgerissen wird: Spannungsliteratur - und dazu gehören große Teile des Werkes zweifellos - unterliegt eigenen Gesetzen. Eines davon ist wohl, dass der Effekt, die wirkungsvolle Szene, Vorrang vor durchgehender Widerspruchsfreiheit des Ganzen hat.
Das führt zB dazu, dass Figuren und Gegenstände nur solange für die Erzählung von Wert sind, solange sich mit ihnen etwas erzählen lässt. Wenn etwa die Mutter zu Beginn des "Schatzes" erwähnt wird, weil es etwa die Stimmung des anfänglichen Settings verlangt, sie aber im späteren Verlauf der Geschichte (der vom Autor ja unter Umständen nur in groben Zügen "geplant" wurde und ansonsten allerlei ad-hoc-Einflüssen und Entscheidungen unterworfen ist) unwichtig wird: dann wird sie konsequenterweise auch einfach "vergessen".
Es gibt im "Ulanen"-Roman eine Szene, in der ein Giftschlange eine große Rolle spielt und die, nachdem sie ihren Auftritt hatte, von der Heldin ins Regal hinter die Bücher geworfen - und prompt vergessen wird. Diese Schlange taucht nie wieder auf. Warum auch? Sie hat ihre Rolle gespielt, ihre Aufgabe erfüllt und kann sich danach wieder in das Nichts auflösen, aus dem sie die Imagination des Dichters kurzfristig hervorgerufen hat.
In der Star-Trek-Fanszene werden Brüche, fehlerhafte Anschlüsse und Widersprüche im Handlungsgeflecht der Folgen einfach dem "Logikkompensator" überantwortet und gut is'. Man bemerkt dergleichen zwar, notiert es auch - aber es tut dem ästhetischen Genuss keine Abbruch. Die Geschichten "funktionieren" trotzdem. Manchmal auch nur genau deshalb. In ihren besten Momenten ist die serielle Literatur sich ihrer Schwächen selbst bewusst, thematisiert sie und schlägt daraus wieder erzählerische Funken. (Spontan fällt mir jetzt allerdings nur eine Akte X-Folge ein (Andere Wahrheiten / Jose Chung's 'From Outer Space'), aber dergleichen gibt es wohl in jeder länger laufenden Serie - und auch bei Karl May.)
Kurz: Die Brüche und Widersprüche im Text sollten notiert und gesammelt werden. Wer weiß, was da am Ende herauskommt, mag sein, dass wir einige Aufschlüsse zu den Entstehungsbedingungen der Texte erhalten. Nur vor kurzschlüssigen Erklärungen und Begründungen sollte man sich ebenso hüten, wie dem albernen Bestreben, dem Autor "Fehler" anzukreiden.