Karl May und Superman

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WalterJoergLangbein
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Karl May und Superman

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Heute möchte ich mal einen Gedanken "in den Raum stellen", mit dem ich mich selbst noch nicht so intensiv beschäftigt habe. Ich möchte aber dennoch ein Thema ansprechen, das vielleicht den einen oder den anderen zu vergleichendem Forschen anregt...

Karl May und Superman. Superman tritt im "wirklichen Leben" alles andere als supermanhaft auf. Er gibt eher den farblosen Schwächling, der schon mal in Ohnmacht fällt, wenn ein Schuss kracht. Verkleidet als schüchtern-biederer Mitarbeiter einer Zeitung betrachtet er die Welt durch eine große Brille... ängstlich und voller Bedenken, nicht gerade für Frauen attraktiv.

Aber dann... dann legt er seine Büroverkleidung ab und die Supermankluft kommt zum Vorschein. Dann ist er schier unbesiegbar.

Und nun zu Karl May. Karl May hat es im Wilden Westen zur "Schmetterfaust" gebracht, vor der die Unholde zittern und die Guten voller Hochachtung sprechen. Manchmal aber gibt Karl May - wenn ich mich recht entsinne zum Beispiel Sam Hawkins gegenüber - den alles andere als starken Normalmenschen, das belächelte Greenhorn, mit der Neigung, sich eher tollpatschig anzustellen. Er genießt es dann, sein supermanhaftes Schmetterfaust-Sein hinter einer Maske zu verbergen.

Warum ist der Superman-Typ so beliebt? Weil er sich nach außern in Verkleidung schwächlich gibt, so wie die meisten von uns sind... wohl wissend, dass hinter der Verkleidung Superkräfte schlummern, die jederzeit zutage gefördert werden können? Weil wir so sind, wie Superman in Verkleidung als Schwächling... und weil wir so gerne wären, wie Superman als unbesiegbarer Held?

Dieses "Motiv" findet sich auch in ähnlicher Form bei Spiderman: hinter der Maske des schwächlichen Normalbürgers verbirgt sich der kraftstrotzende Held.

Ist Karl Mays alter ego im Wilden Westen auch so ein Superman?

Walter
marlies

Beitrag von marlies »

:wink: good pickup :wink: der alte Menschheitstraum ... der machtlose 'Normalbuerger' dem die Kraft gegeben wird sich (fuer sich selber oder andere) zu raechen oder zu wehren. An und fuer sich schon eine der May'schen 'Menschheitsfragen' (in welchem Stadium unserer Evolution sind wir eigentlich dass wir solche 'Wunschtraeume' haben [muessen]?).

Zur Frage: >>>Ist Karl Mays alter ego im Wilden Westen auch so ein Superman? <<<

Yes! ganz sicher. Mit allen Varianten. Superheld verkleidet als schwacher 'Normalbuerger', Schwaechling als Superheld (und allem dazwischen) -- soviel ich mich an Superman und Spiderman snippets erinnern kann, auch die haben die 'ultimate' Strafe nicht selber ausgehaendigt sondern die 'villains' dem Gesetz (oder hoeheren Gesetz) ausgeliefert (kenne Spiderman nicht so gut - tat er das auch?), wie Old Shatterhand -- nicht einmal Santer wird von ihm erschossen sondern er hat sich selber gerichtet (wie viele andere in May'schen Stories) - mal von 'collateral damage' abgesehen.
Dann ist da noch die parallele mit dem 'reisenden Schreiberling' oder 'schreibenden Reisenden' (obwohl ich eigentlich nie was las das von Clark Kent geschrieben worden ist - kam er je dazu?)
markus
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Beitrag von markus »

Diese Supermans begegnen uns in der Literatur, Film, Funk, Fernsehen usw. noch und nöcher. Als da wäre Asterix und Obelix, Popey der Seemann, Bud Spencer und Terence Hill und und und. Sie alle haben mehr oder weniger etwas gemeinsam. Den alten Traum leben daß der kleine Mann über die großen ("die da oben") Herren wenigstens einmal, wenn auch kurz, triumphieren kann.

Nur Old Shatterhand kann ich da nicht so ganz einordnen oder ihn gar als Schwächling bezeichnen. Denn er gibt das Greenhorn nur vor und das nicht nur am Anfang von Winnetou II, sondern auch schon in Winnetou I, als er das erstemal in den wilden Westen kommt.
Denn das Talent zum Westmann trägt er schon in sich, ist gewand im Schiessen, Fechten und allem was ein Waldläufer einst können muß. Er ist zwar am Anfang noch in gwisser Weise ein Anfänger, aber das holt er sehr schnell auf je länger er sich im wilden Westen aufhält. Das geht sogar so fix, daß er sehr bald seinen Lehrmeister Sam Hawkens nicht nur einholt, sondern sogar überholt, sprich ihn an Körperkraft, Ausdauer, Geschicklichkeit, Tapferkeit und Verwegenkeit überlegen ist. In kurzer Zeit ein wahrer Superman des wilden Westens wird.
Und was der große Unterschied zu den anderen Helden wie Superman, Spiderman oder Popey ausmacht ist die Tatsache, daß er, Old Shatterhand, keine rückwärts gerichtete Metamorphose mehr durchmacht, sondern er immer größeren positiven Fortschritt macht. Er wird zum absoluten Alleskönner, ihm geht selten etwas fehl, dabei wird er (in meinen Augen) aber nie langweilig und er kommt für mich selten großspurig und überheblich daher (im Gegensatz zu anderen weniger bekannten ähnlich beschriebenen Superhelden Karl May´s wie etwa Oskar Steinbach aus DH-DH).
Old Shatterhand ist, neben Kara Ben Nemsi, die Ideal-Superheld-Figur in den Werken Karl May´s.

Markus
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WalterJoergLangbein
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@Markus

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Markus schrieb: "Nur Old Shatterhand kann ich da nicht so ganz einordnen oder ihn gar als Schwächling bezeichnen. Denn er gibt das Greenhorn nur vor und das nicht nur am Anfang von Winnetou II, sondern auch schon in Winnetou I, als er das erstemal in den wilden Westen kommt."

Lieber Markus, vielleicht habe ich mich etwas mißverständlich ausgedrückt. Es stimmt vollkommen: Old Shatterhand ist natürlich kein Schwächling, er gibt in der Tat das Greenhorn nur vor.

Aber genau das ist auch bei Superman der Fall. Superman ist schon als Kleinkind superstark und wuchtet ein Auto hoch. Superman ist von Anfang an superstark und gibt den Schwächling nur vor.

Sobald Superman seine "Kluft" anhat, zeigt er seine Stärke, die er sonst zwar hat, aber verbirgt. Old Shatterhand, von Anfang an superstarker Westernmann, spielt auch nur den Schwachen... manchmal, vorübergehend.

Walter
markus
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Beitrag von markus »

Ok, gewisse Parallelen sind da, das geb ich zu. Aber hat Superman auch die Kräfte wenn er Clark Kent ist? Verbirgt er sie dann nur oder kann ers wirklich nicht in zivil?

Was ich noch eingestehen muß ist die Tatsache, daß Old Shatterhand (und nicht nur er sondern auch einige andere Helden Mays) auch im späteren Heldenleben seine Person und sein Tun oft erst geheim hält und erst spät durch eine große Heldentat wird sein wahres Ich bekannt. Das macht er sehr geschickt und es sind oft die Stellen die ich mit am liebsten mag. Oft ist dabei auch von ihm selber die Rede, wie groß und stark er ist und wieviel Mut er besitzt und wenn man weiß wie Shaterhand ausschaut (gar nicht groß gebaut)
kommt man schon ins schmunzeln wie alle erstaunen werden wenn sie erfahren wen sie vor sich haben.

Also in gewisser Weise ist Old Shatterhand mit Superman zu vergleichen, aber trotzdem ist er schon ein Held für sich, einzigartig, mit niemand vergleichbar.

Markus
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WalterJoergLangbein
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@Markus

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Markus, die Antwort ist, meine ich, eindeutig, Superman hat die Kräfte immer, auch als Clark Kent. Er tritt als Superman im Kostüm auf, um seine Identität zu verbergen. Das tut auch Spiderman.

Gern stimme ich zu: Old Shatterhand ist einzigartig, keine Frage... ich wollte allerdings auf gewisse Parallelen hinweisen.

Ein wesentlicher Unterschied ist: Superman ist deshalb superstark, weil er ein ganz anderes Naturell hat, von eionem anderen Stern kommt. Und Spiderman ist stark, weil er von einer Spinne gebissen wurde.

Old Shatterhand ist nicht auf übernatürliche Weise stark, sondern weil er ein trainierter Mann ist, der intelligent seine Kräfte so einzusetzen weiß, daß er eigentlich stärkeren Gegnern überlegen ist.

Walter
markus
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Beitrag von markus »

Im Unterschied dazu verbirgt Old Shatterhand seine Identität gar nicht, er will es auch gar nicht. Er wird halt nur nicht von allen gleich erkannt, erstmal da sie ihn halt noch nie gesehen haben und zum anderen noch aus einem anderen Grund (er sieht es auch nicht ein gleich sein wahres Ich Preis zu geben, auch aus einer gewissen Bescheidenheit nicht): Man kennt ja das berühmte "Stille Post"-Spiel. Dabei sagt einer dem andern was im Ohr und er sagt es weiter und der nächste wieder weiter und immer weiter. Am Ende ist gar aus einer Mücke ein Elefant geworden.
Genauso ist es bei Shatterhand. Es wird von einem zum andern immer weiter erzählt was für ein toller Kerl er ist. Am Ende ist aus ihm ein wahrer Goliath geworden, ein Baum von einem Mann. Daher wundert es nicht daß viele die ihn nur vom hören-sagen her kennen, sich höchst wundern und staunen wenn sie erfahren wen sie vor sich haben.

Old Shatterhand ist auch nicht nur ein trainierter Mann der seine Kräfte inteligent einzusetzen vermag, er tuts auch, und da vor allem, mit dem Hirn. Er braucht seine Kräfte selten körperlich einzusetzen, sondern er ist seinen Gegnern oft mit dem Wort überlegen. Da sehe ich ein klein bischen Kara Ben Nemsi im Vorteil, obwohl es eigentlich ein und dieselbe Person ist. Ich nehme mal an weil der wilde Westen einfach wilder, gewalttätiger ist (dark and bloody Grounds) als der Orient (auch wenns jetzt mehr als 100 Jahre danach anders aussieht). Ich weiß es nicht.

Markus
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WalterJoergLangbein
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Old Shatterhand...

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Old Shatterhand hat es da ja auch leichter als Superman. Superman ist ein Außerirdischer und möchte als Mensch unter Menschen leben. Spiderman ist eine Art Mutation, möchte ebenfalls als Mensch unter Menschen leben.

Wo ich eine (gewisse) Parallele sehe, und man möge mir dies bitte nicht als Rechthaberei ankreiden: Old Shatterhand, Superman und Spiderman verbergen gelegentlich ihre beachtlichen Kräfte.

Das ermöglicht eine Identifikation des Normalmenschen mit den Superhelden: der Normalmensch ist schwach, träumt sich aber in die Rolle eines Helden, der nur seine Kräfte verbirgt.

Walter
JennyFlorstedt
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Beitrag von JennyFlorstedt »

Wobei aber Spiderman und Superman ein regelrechtes Doppelleben führen und auch irhe engsten Freunde sowie die Damen ihrer Herzen nichts davon ahnen.

Shatterhand mag zwar auch ab und an seine Kräfte verbergen, aber von einem regelrehcten Doppelleben kann man m.E. nicht sprechen. Es sei denn, man nimmt sein bürgerliches Leben, bei dem er auch gern mit seiner Geldnot kokettiert, als eine Seite dieser Existenz. Aber wie oft spielt das denn eine Rolle?
Bei Spiderman/Superman ist dieses bürgerliche Leben sehr viel präsenter.

Das tut den Träumen der Normalmenschen aber keinerlei Abbruch. ;)

Mit vielen Grüßen

Jenny Florstedt
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marlies

Beitrag von marlies »

war Karl May ein 'Normalbuerger'? Waere er ein Normalbuerger haette ihn die wiederholte Einkerkerung (und was davor kam) schon zunichte gemacht - und wir haetten weder Winnetou noch Old Shatterhand.

Dass er nicht von 'Krypton' herkam ist wohl klar. Dass er kein versteckter 'Muskelmensch' war ist auch klar. Der Vergleich mit 'Superman' (od. aehnlichen 'Super'helden) liegt hier woanders... (fuer mich jedenfalls) ...das 'Versteckspielen' (um bei 'Superman' zu bleiben...Clark Kent ist der verkleidete Superman ohne dass es jemand weiss) erfolgte bei May auf einer intellektuellen Ebene die eben nur von Old Shatterhand (oder Kara Ben Nemsi) beschritten werden durfte, aber nicht von May (siehe Kuerschner's Reaktion zu Et In Terra Pax). Der Karl May war eben der schrullige Clark Kent (der Jugendschriftsteller der auf die Kinderbuecherregale gehoert), und seine 'Kraefte' (damit meine ich nicht seinen Jagdhieb) konnten nur als Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi zur Geltung kommen. Wobei der Karl May ein 'Fleisch und Blut' Mensch war mit allen Fehlern, und Clark Kent eine Figur entworfen von einem Autor und deshalb nicht wie Karl May stolperte am Leben.
In diesem [uebertragenen] Sinne, ja, Old Shatterhand ist der Superman, und Karl May der Clark Kent.
JennyFlorstedt
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Beitrag von JennyFlorstedt »

Hallo Marlies!

Ich dachte eher an die Leser, die die Abenteuer ihres Superhelden Shatterhand verfolgten. Und träumten. Und diese literarische Figur Old Shatterhand hatte zwar eine ab und an angedeutete bürgerliche Existenz, aber eben kein wirkliches Doppelleben, da er sich fast immer als Old Shatterhand zu erkennen gab.

Aber selbst wenn man May selbst mit einbezieht: Zumindest auf dem Höhepunkt der Old-Shatterhand-Legende konnte ja von einem geheimen Doppelleben keine Rede sein. Da hat er ja seine Narben öffentlich vorgeführt. ;)

Jenny
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marlies

Beitrag von marlies »

selbst die Narbe gehoert zur 'Verkleidung' (zur Theatervorstellung) ... Karl May's wahrer Superman ist nicht in physikalischer Form zu suchen (obwohl die koerperliche Verkleidung auch ein Bestandteil sein muss), das ginge an der 'Seele' des ganzen vorbei. Und wie schon gesagt, da ist ein Unterschied zwischen Clark Kent und Karl May - Kent war eine erfundene Figur, May war ein Mensch mit all seinen Fehlern. Als solcher hat er sich mit der 'Old Shatterhand' Legende etwas verrechnet - einen menschlichen Fehler begangen ... that's okay ... es ist vorbei - die Fehler sind gebuesst. Was bleibt ist der process zwischen 1874 und 1912 - und der ist fuer mich eindeutig: der Old Shatterhand durfte mit seinem 'Cape' sein was der Clark 'May' Kent in Hohenstein-Ernstthal nicht sein durfte - jemand der sich ueber das Mensch-sein auf globaler Ebene aeusserte und dem man zuhoerte und wessen Worte 'man' (Charakteren in den Stories sowie 'seine' Leser) ernst nahm. Man wuerde einem Karl May der fast nie aus Sachsen herauskam (zudem noch ein 'Zuchthaeusler') doch nicht zuhoeren wenn er ueber Schicksale in 'fernen Zonen' erzaehlte, aber als Shatterhand, der 'ueberallhin' reiste, dem hoerte man zu, er war ja da. Und so tat Shatterhand was May nicht durfte ... er lehrte (oder zumindestens versuchte er es ... und ist es ihm gelungen?) 'seinen' Lesern das 'Mensch-sein'.
Genauso wie Superman Clark Kent war, war Old Shatterhand Karl May (auf anderer [doch paralleller?] Ebene).
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