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von rodger » 22.7.2007, 17:06
Hausschatz, selbstverständlich Katholik, publikumsorientiert, ich weiß doch nicht.
Schauen wir uns doch noch mal an, was in eben diesem Hausschatz anlässlich der Beerdigung von Mohammed Emin zu lesen war:
Die Sonne stand nahe am Horizonte, als sich der kleine Trauerzug in Bewegung setzte. Voran schritten Allo und der Soran-Kurde, welche auf einer aus Ästen gefertigten Bahre den Todten trugen; wir Andern folgten paarweise, und Amad el Ghandur erwartete uns am Grabe. Die Öffnung desselben wies nach Westsüdwest, genau die Kibbla von Mekka, und als man den Todten hineinsetzte, war sein Angesicht nach jenen Gegenden gerichtet, in denen der Prophet der Moslemim die Besuche und Offenbarungen der Engel empfing.
Amad el Ghandur trat bleichen Angesichtes zu mir und frug:
»Emir, Du bist zwar ein Christ, aber Du warst in der heiligen Stadt und kennst das heilige Buch. Willst Du Deinem todten Freunde die letzte Ehre erweisen und über ihn die Sure des Todes sprechen?«
»Gern, und auch die Sure des Verschließens.«
»So laß uns beginnen!«
Jetzt hatte die Sonne ihren westlichen Horizont erreicht, und Alle sanken nieder, um in der Stille das Mogreb zu beten. Dann erhoben wir uns wieder, einen Halbkreis um die Öffnung des Grabmales bildend.
Es war ein weihevoller Augenblick. Der Todte saß aufrecht in seiner letzten Wohnung. Die Abendröthe warf purpurne Strahlen über sein marmorbleiches Angesicht, und der hier oben kräftigere Hauch des Windes ließ seinen langen weißen Bart erzittern.
Da wandte sich Amad el Ghandur nach der Richtung von Mekka, erhob seine in einander verschlungenen Hände und sprach:
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, der da herrschet am Tage des Gerichtes. Dir wollen wir dienen, und zu Dir wollen wir flehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg derer, die Deiner Gnade sich erfreuen, und nicht den Weg derer, über welche Du zürnest, und nicht den Weg der Irrenden!«
Jetzt erhob ich ebenso wie er die Hände und sprach aus der fünfundsiebzigsten Sure, die >die Auferstehung< betitelt ist, die Worte:
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Ich schwöre bei dem Tage der Auferstehung, und ich schwöre bei der Seele, welche sich selbst anklagt: will der Mensch wohl glauben, daß wir seine Gebeine einst nicht zusammenbringen werden? Wahrlich, wir vermögen es, selbst die kleinsten Gebeine seiner Finger zusammenzufügen; doch der Mensch will selbst das, was vor ihm liegt, gern leugnen. Er fragt: Wann kommt denn der Tag der Auferstehung? Wenn das Auge sich verdunkelt und der Mond sich verfinstert und Sonne und Mond sich verbinden, dann wird der Mensch an diesem Tage fragen: Wo findet man einen Zufluchtsort? Aber vergebens, denn es gibt keinen Ort der Rettung. Ihr liebt das dahineilende Leben und achtet nicht auf das zukünftige. Einige Angesichte werden an diesem Tage leuchten und ihren Herrn anblicken, andere aber werden traurig aussehen, denn schwere Trübsal kommt über sie. Sicherlich! Einem solchen Menschen steigt in der Todesstunde die Seele bis an die Kehle, und die Umstehenden sagen: Wer bringt zu seiner Rettung einen Zaubertrank? Dann ist die Zeit der Abreise gekommen; er legt Bein an Bein und wird an diesem Tage hingetragen zu seinem Richter, da er nicht glaubte und nicht betete. Darum wehe Dir, wehe! Und abermals wehe Dir, wehe! Glaubt denn der Mensch, daß ihm volle Freiheit gelassen sei? Ist er nicht ein ausgeworfenes Samenkorn? Darauf bildete ihn Gott und machte einen Menschen aus ihm. Sollte Der, der dies gethan, nicht auch zu einem neuen Leben auferwecken können?«
Nun wandte ich mich wieder dem Todten zu und sprach:
»Allah il Allah! Es ist nur ein Gott und wir Alle sind seine Kinder. Er leitet uns mit seiner Hand und hält uns Alle an seiner Rechten. Er machte uns zu Brüdern und sandte uns auf die Erde, ihm zu dienen und uns in Eintracht seiner Gnade und Barmherzigkeit zu erfreuen. Er läßt den Körper sich entwickeln und die Seele wachsen, bis sie sich nach dem Himmel sehnt. Dann sendet er den Engel des Todes, sie abzulösen und emporzutragen zum Brunnen, aus dem sie ewiges Leben trinkt. Sie ist dann frei von Schmerz und Leid und achtet nicht die Klagen derer, welche um die todte Hülle trauern. Hier liegt Hadschi Mohammed Emin Ben Abdul Mutaher es Seim Ibn Abu Merwem Baschar esch Schohanah, der tapfere Scheik der Haddedihn vom Stamme esch Schammar. Er war ein Liebling Allah's; auf seiner Zunge wuchs niemals die Lüge, und aus seiner Hand floß Wohlthat weithin über die Hütten, in denen Armuth wohnte. Er war der weiseste im Rathe; er war ein Held im Kampfe; er war ein Freund dem Freunde; er wurde gefürchtet von seinen Feinden, aber geachtet von Allen, die ihn kannten. Darum wollte Allah nicht, daß er abscheide im Dunkel des Zeltes, sondern er sandte Abu Dschajah (1) Engel des Todes], ihn abzurufen mitten im Kampfe von der Seite der Krieger, die hier um ihn stehen. Nun geht der Staub zur Erde. Sein Angesicht wendet sich nach Mekka, der Goldenen, seine Seele aber steht vor dem Allerbarmer und schaut die Herrlichkeit, in welche kein sterbliches Auge zu dringen vermag. Sein ist das Leben, unser aber der Trost, daß auch wir einst an seiner Seite stehen werden, wenn Isa Ben Marryam [2) Jesus] einst kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten!«
Jetzt traten Allo und der Soran-Kurde herzu, um das Grab zu verschließen. Schon wollte ich wieder das Wort ergreifen, als der Perser mir winkte. Er trat vor und sprach einige Sätze der zweiundachtzigsten Sure:
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Wenn die Himmel sich spalten und die Sterne sich zerstreuen, die Meere sich vermischen und die Gräber sich umkehren, dann wird eine jede Seele wissen, was sie gethan und was sie unterlassen hat. So ist es, und doch leugnen sie den Tag des Gerichtes. Aber es sind Wächter über Euch gesetzt, die da Alles niederschreiben und Alles sehen, was Ihr thut. Die Gerechten werden erlangen die Wonne des Paradieses, die Missethäter aber die Qualen der Hölle. An diesem Tage vermag keine Seele etwas für die andere, denn an diesem Tage gehört die Herrschaft nur Gott allein!«
Jetzt war die Öffnung zugesetzt, und es bedurfte noch des Schlußgebetes. Ich hatte auch das übernommen, aber Halef trat vor. In dem Auge des wackern kleinen Hadschi glänzten Thränen, und seine Stimme zitterte, als er sagte:
»Ich will beten!« - Er kniete nieder, faltete die Hände und sprach: »Ihr habt gehört, daß wir Alle Brüder sind, und daß Allah uns Alle versammeln wird am Tage des Gerichtes. Da drüben ist die Sonne gesunken, und morgen wird sie von Neuem emporgestiegen sein; so werden auch wir da oben auferwachen, wenn wir hier gestorben sind. O Allah, laß uns da zu denen gehören, die Deiner Gnade würdig sind, und scheide uns nicht von denen, die wir hier lieb gehabt haben. Du bist der Allmächtige und kannst auch dieses Gebet erfüllen!« -
Das war ein seltenes Begräbniß. Ein Christ, zwei Sunniten und ein Schiite hatten über dem Grabe des Todten gesprochen, ohne daß Muhammed einen Blitz herniederfallen ließ. Was mich betrifft, so glaubte ich, keine Sünde zu thun, wenn ich von dem todten Freunde Abschied nahm in der Sprache, die er im Leben gesprochen hatte; die Betheiligung des Persers aber war ein Beweis, daß er an Bildung des Geistes und Herzens den moslemitischen Troß weit überragte. Halef hätte ich zum Dank für seine einfachen, kurzen Sätze gleich umarmen können. Ich wußte es längst: er war, ohne es selbst zu ahnen, nur noch äußerlich ein Moslem, innerlich aber bereits ein Christ.