Ernst F. Löhndorff

Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Ernst F. Löhndorff

Beitrag von Mübarek »

Hallo zusammen !

Ich bin hier neu und an Abenteuerliteratur interessiert. Die im Karl May Verlag erschienenen Bänder "Welt der Abenteuer" sind sehr interessant.
Mich würde interessieren, ob es Fans, oder Gegner, von Ernst F. Löhndorff gibt, den ich persönlich für einen hervorragenden, realistisch schreibenden Schriftsteller halte. Mich hat immer gewundert, daß er in dieser Reihe nicht vorkommt.
Grafenberg
Beiträge: 58
Registriert: 13.5.2004, 6:59
Wohnort: Berlin

Beitrag von Grafenberg »

Nun ja: Fans - Gegner,
Löhndorff war wieviele seiner Zunft mal mit guten Erzählungen, mal mit weniger guten dabei. Im privaten griff er auch oft daneben und das ihn die französische Armee gerne inhaftiert hätte, ist auch nur ein Pluspunkt gegenüber manchem Minuspunkt bei der zeitweiligen Anbiederung ans 3. Reich.
Oder: immer in Geldnöten schaffte er Geniales (für mich z.B. Afrika weint oder Bestie Ich in Mexiko) und dann schaukelte er so dahin (z.B. Gloria).
Es gibt halt viele Abenteuerschriftsteller und nicht jeder wird sofort erwähnt. Löhndorff hat es ja gerade geschafft :-))

viele Grüße
Thomas Grafenberg

Geschäftsführer Förderverein Karl-May-Museum
<Vereinszeitschrift: unser Museumsmagazin "Der Beobachter an der Elbe">
Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Beitrag von Mübarek »

Hallo Herr Grafenberg !

Danke für Ihre Antwort. Fans und Gegner ist vielleicht nicht gerade geschickt von mir ausgedrückt, Ich neigte zu dieser Bezeichnung, weil sich heir manchmal die Leute im Forum über Ihre favorisierten Schriftsteller ziemlich hart angehen. Vielleicht wollte ich auch etwaiger Kritik vorbeugen. Wie auch immer - Löhndorff gefällt mir ausnehmend gut. Seine Anbiederei im 3. Reich und seine zeitweilige Mitgliedschaft in der NSDAP bis 1938, finde ich ich ehrlich gesagt unrühmlich. Die von Ihnen erwähnten Romane finde ich auch sehr gut, bemerkenswert neben guten und schwächeren literarischen Produkten von Löhndorff sind auch "Der Indio" und "Blumenhölle am Jacinto".
Ich finde eigentlich, daß er, bei zugegebener Konkurrenz, nicht den Stellenwert einnimmt, den er eigentlich durch sehr gute Bücher verdient.

Mit freundlichen Grüßen,

Dirk Althoff
Kurt Altherr
Beiträge: 555
Registriert: 17.7.2006, 15:18

Beitrag von Kurt Altherr »

Löhndorff machte 1938 eine China-Reise, die ihm gesudheitlich nicht bekommen ist. Zudem geriet er in die Gegnerschaft zur NSDAP und wurde sogar 1941 zwangssterilisiert.

Andererseits war Löhndorff vorgesehen, ab 1944 die Werke Karl Mays im ideologischen Sinne zu bearbeiten. Durch die Kriegsereignisse kam es nicht mehr dazu.

Die Vita Löhndorff ist ebenso grotesk wie dubios. Eine der seltsamsten Erscheinungen des literarischen 20 Jahrhunderts.
Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Beitrag von Mübarek »

Hallo Herr Altherr !
Ich habe schon von dieser Zwangssterilisation Löhndorffs gehört. Warum wurde sie durchgeführt, hatte er ein in den Augen der Nazis "Rassenschande" begangen und erwartete jemand von ihm ein Kind, oder er sich Geschlechtskrankheiten zugezogen ? Zwangssterilisiert wurden im Dritten Reich doch vor allen Dingen Zigeuner, also Sinti und Roma, Menschen mit geistigen oder psychischen Behinderungen und Juden, wo lag also die Begründung für diese Durchführung ? Insgeamt gibt es ja noch recht dürftige Infos über Ernst F. Löhndorff. Bei Wikipedia steht es seit kurzem etwas über ihn und es gibt wohl inzwischen auch eine Biografie. Gibt es so etwas wie einen "Club der Löhndorffreunde" oder ähnliches ?

Gruß
Dirk Althoff
Kurt Altherr
Beiträge: 555
Registriert: 17.7.2006, 15:18

Beitrag von Kurt Altherr »

Hallo Herr Althoff,

es gibt eine Biografie über Löhndorff, die ich vor etwa 4 Jahren gelesen habe und mir von einem Bekannten ausgeliehen hatte. Deshalb ist das ganze mir nur bruchstückhaft in Erinnerung, zumal ich mich schwerpunktmäßig mehr mit Löhndorffs Aktivitäten mit Pancho Villa 1916/17 in Mexiko befasst habe.
Jedenfalls wurde Löhndorff während seiner Chinareise krank, Psychosen und ähnliches. Deshalb auch der Zwangssterilisation.

Ich empfehle Ihnen zu der noch im Handel erhältlichen Biografie über Löhndorff:
"Die Abenteuer im Leben und Werk von E.F. Löhndorff"
ISBN 3-89155-217-3
Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Beitrag von Mübarek »

Hallo Herr Altherr !

Zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Infos !

Gruß
Dirk Althoff :)
Kurt Altherr
Beiträge: 555
Registriert: 17.7.2006, 15:18

E.F. Löhndorff und Karl May

Beitrag von Kurt Altherr »

Hallo Herr Althoff,

zu der Möglichkeit, dass Löhndorff Karl Mays Werke bearbeitet hätte,
aus Klaus Hoffmann "Karl Mays Werke" S. 236/237:

"In der Person des Volksschullehrers Georg Szulmistrat stellte das NS-Propagandaminsterium dem KMV einen Verantwortlichen für die Tilgung religiöser Stellen in Mays Werk zur Seite.
'Es hat sich nämlich bei einer Durchprüfung verschiedener Bände herausgestell', klärte Szulmistrat den KMV am 28. März 1944 auf, 'daß in ihnen verschiedene heute nicht mehr zeitgemäße Anschauungen enthalten sind - Rassedinge, Völkerkundliches, Überschätzung der Engländer, Religionsfragen.'
Das alles gelte es auszumerzen, und dafür hatte Szulmistrat eine Patentlösung parat:
'Um gleich ins Praktische einzusteigen, da denke ich mir die Erneuerung ungefähr folgendermaßen: Ein lebender Schriftsteller, der eine Ahnung, eine Anlage für das Abfassen von Abenteuerwerken hat, macht sich ans Werk. Er benutzt die vorhandenen Bücher Mays als Rohstoff gewissermaßen und kann dabei die verschiedenen berechtigten Einwände und Beanstandungen der ernsthaften Kritiker Mays beiseitigen....'

Wer dieser 'lebende Schriftsteller' sein möchte, der May frei zu bearbeiten für geeignet befunden werden wird,. darüber hatte das Propagandamisterium durchaus seine Vorstellungen.
In Betracht gezogen wurden nicht Otto Eicke, der sich seit 1920 mit eigenen literarischen Produkten wie "Hannele, die Geschichte einer Liebe" oder "Daß du ein Deutscher bist" hervorgetan, auch nicht Fronemann, der immerhin die "Erzählungen aus 1001 Nacht" und "Reineke, der Fuchs" bearbeitet hatte, sondern Ernst Friedrich Löhndorff und Joseph M. Velter.

Beide galten als politisch zuverlässige Garanten und versierte Reiseschriftsteller. Seine Bearbeitungstalente konnte Velter bereits an einer 18bändigen Neuausgabe der Gesammelten Werke Friedrich Gerstäckers trainieren, die von 1936 bis 1939 bei Goldmann in Leipzig erschienen ist.
Löhndorff hatte zuletzt eine Anstellung im Propagandamisterium gefunden.

Warum - Allah sei Dank - aus all diesen Bearbeitungsplänen letztlich nichts geworden ist?
Szulmitrat verstarb plötzlich im September 1944. Und mit dem 1000jährigen Reich ging es früher als geplant zu Ende.....

Dennoch erscheint beachtenswert, was 'Das große Karl-May-Lexikon'
unter dem Stihwort 'Nationalsozialismus' anzumerken weiß: 'Es wäre eine Untersuchung wert, ob durch die Bearbeiter (Löhndorff und Velter A.d.V.) von Karl Mays Romanen, eventuell auch in vorauseilendem Gehorsam, entsprechende Eingriffe vorgenommen wurden".

Viele Grüße
Kurt Altherr
Günther Wüste
Beiträge: 186
Registriert: 12.5.2004, 20:34
Wohnort: Düsseldorf

E. F. Löhndorff

Beitrag von Günther Wüste »

Michael Rudloff schrie dazu einen Artikel. In Mitteilungen 132, Seite 51-54.
Gruss Günther Wüste
Sandhofer
Beiträge: 273
Registriert: 12.5.2004, 23:06

Re: E. F. Löhndorff

Beitrag von Sandhofer »

Günther Wüste hat geschrieben:In Mitteilungen 132, Seite 51-54.
Unbedarftere Gemüter wie ich werden sich jetzt fragen: "Wer teilt hier wem was und wann mit?" :wink:
Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Beitrag von Mübarek »

Hallo Herr Wüste !

Danke für Ihren Hinweis !

Hallo Sandhofer !

Ob schlichtere Gemüter oder nicht, immerhin ist dies seit dem 12.7.2007 der 10. Beitrag zum Thema, das finde ich schon beachtlich. Manche Themen in diesen Foren kommen auf weniger Beiträge mehreren Jahren, oder haben den letzten Beitrag vor 2 oder 3 Jahren gehabt.

Also aktuell ist der Ernst F. Löhndorff vielleicht, interessant bestimmt.
Es wäre schön, wenn es noch mehr Beiträge zum Thema gäbe. Vielen Dank an die, die mir so gute und interessante Beiträge geschrieben haben.

Dirk
Kurt Altherr
Beiträge: 555
Registriert: 17.7.2006, 15:18

Beitrag von Kurt Altherr »

E.F. Löhndorff gehört ohne jeden Zweifel zu den interessantesten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Er muß eigentlich nur wiederentdeckt werden.

Mich persönlich interessieren bei Löhndorff zwei ungeklärte Fragen.

1. War Löhndorff mit dabei, als Pancho Villa am 9. März 1916 das Städtchen Columbus in New Mexico angriff, das erste Mal in der Geschichte der USA, dass deren Staatsgebiet okkupiert wurde?

2. Wie nahe war Löhndorff wirklich daran, die Werke Karl Mays zu "bearbeiten"?

Zu Frage 1 näheres unter http://www.mexicomaxico.org/Caballero/pancho.htm
Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Beitrag von Mübarek »

Ich halte die Jahreszahlangaben im Wickipedia Beitrag über Ernst F. Löhndorff für problematisch. Keineswegs kennzeichen sie das Erscheinungsdatum, so ist z.B. "Blumenhölle am Jacinto" mindestens 1932 erschienen (ich hatte nämlich das Glück heute günstig diese Exemplar in der Brockensammlung in Bielefeld-Bethel zu erstehen). Ich bin der Meinung, daß eine Werskennzeichnung nach Erstverööfentlichungsjahr gestaffelt und angegeben werden sollte und nicht danach, welche Jahreszahl eine Nachauflage trägt.

Dirk Althoff
Wolfgang Wiesheier
Beiträge: 47
Registriert: 13.5.2004, 21:20
Wohnort: Kunreuth

Beitrag von Wolfgang Wiesheier »

"Blumenhölle am Jacinto" ist in der Tat 1932 erstmals erschienen. Auch andere Daten in der Wikipedia sind falsch:
"Afrika weint": Nicht Schünemann, 1959, sondern Grethlein, 1930
"Amineh": Nicht Schünemann, 1951, sondern Grethlein, 1930
"Bowery-Satan": Nicht Drott, 1948, sondern Goldmann, 1937
"Der Indio": Nicht Schünemann, 1956, sondern Schünemann, 1933
"Bestie Ich in Mexiko" (nicht "Die Bestie Ich in Mexiko"): Nicht Schünemann, 1952, sondern Dieck, 1927)
"Gold, Whisky und Frauen im Nordland" (nicht "Gold, Whisky und Frauen"): Nicht Fackelverl. u. Fackel-Buchklub, 1957, sondern Schünemann, 1935
"Old Jamaica Rum": Nicht Weiss, 1955, sondern Vier Falken, 1949
"Satan Ozean": Nicht Schünemann, 1952, sondern Grehtlein und Schünemann, 1930
"Tropensymphonie": Nicht Schünemann, 1955, sondern Schünemann, 1936
"Tuan Narr und die Mandelblüte": Nicht Fackel-Buchklub, 1957, sondern Schünemann, 1935
"Ultima Esperanza": Nicht Schünemann, 1953, sondern Schünemann, 1950 (als "Der König von Feuerland")
"Unheimliches China": Nicht Schünemann, 1953, sondern Schünemann, 1939

Es ist völlig richtig, daß es Standard ist, in solchen Fällen nur das Erscheinungsjahr der Originalausgabe anzugeben.

Was mich aber jetzt auch interessieren würde: Findet man in dieser Brockensammlung öfters Löhndorffs oder gar andere Schätze?

Wolfgang Wiesheier
Mübarek
Beiträge: 63
Registriert: 19.6.2007, 20:33
Wohnort: Bielefeld

Beitrag von Mübarek »

Hallo Herr Wiesheier,

danke für Ihre Auflistung mit Erscheinungsjahr der wichtigsten Löhndorff Romane. Die Brockensammlung in Bethel existiert bereits seit 1873 (!) und wurde seinerzeit vom Bethel "Vater", Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910) angeregt. Die Leute sollten die "übrigen Brocken sammeln, auf dass sie nicht verkommen" und so wurde eine Sammelstelle in Bethel eingerichtet (die bis heute existiert). Hier werden Bücher, Schallplatten, Gläser, Töpfe, Bekleidung und alles mögliche verkauft. Seit einigen Jahren gibt es eine Brosa (Brockensammlung) Antik, in der etwas wertvollere Vasen, Gemälde, alte und neuere Bücher verkauft werden. Manchmal hat man Glück, so wie ich letzte Woche und findet einen Löhndorff, von Zeit zu Zeit findet man auch Karl May Bücher aus dem Bamberg Verlag. Rote Bände WdA und Historische Romane des KMV habe ich bisher nicht gefunden, aber ein Besuch der Brosa lohnt immer. Die verkauften Bücher sind überwiegend in einem sehr guten zustand. Ein großer Teil der Buchbestände besteht aus theologischen Büchern. Die Bücher, in der Brosa normal und der Brosa Antik sind nur lose sortiet, wenn man etwas finden will, muß man schon etwas suchen und entsprechend Zeit mitbringen. Aber das lohnt sich fast immer.

Noch einen schönen Abend,
viele Grüße,

Dirk Althoff
Antworten