sondern diesen nur spielt.
So würde ich es nicht nennen. (So wie ich auch bedeutend lieber "Darsteller" statt "Schauspieler" sage / schreibe, denn, um es in einem Satz zu erklären, wenn einer "spielt", dann ist es nichts, aber wenn er darstellt, dann ist es was ... ("Gucken, nicht gucken spielen"; Karl Wesseler, Neunzehnhundertsiebenundsonstnochwas, 78 oder 79 wahrscheinlich, ist ja auch egal ... Voilà.)(Das "Voilá", liebe Gemeinde, bezieht sich freilich auf den zitierten vierwortigen Satz; einer sagt etwas und man versteht ein Prinzip. Für immer.))
Er träumt sich in diesen hinein, oder, damit es weniger "träumerisch" klingt, er versetzt sich in diesen hinein, bis zur Identität. (Wenn z.B. ein Schauspieler (nun sozusagen inkonsequenterweise doch wieder per üblichem Sprachgebrauch ...) die Nr. 3 aus den "Zwölf Geschworenen" spielt nein darstellt und ihm dabei echte Tränen herunterlaufen wenn er am Ende das Bild vom Sohn aus dem Portemonnaie zieht, dann sind das nicht seine privaten Tränen, sondern dann ist er in der Rolle, es sind die Tränen des verletzten, trauernden Vaters ...)(und so kommt May als Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi - manchmal - voll und ganz authentisch herüber, und ich nehme ihm dann das, was er mitteilt, voll und ganz ab ...)
Insoweit stimme ich Dir zu. "Spiel" trifft das Phänomen nicht, der Ausdruck ist zu distanziert, die Grenze zwischen der bürgerlichen Person May und dem "Ich" verläuft nicht annähernd so trennscharf, distanziert und bewusst wie es die Wortwahl suggeriert. Die Tränen bei dem Gedenken an den Tod Winnetous waren kein "Spiel", sie waren echt und man kann trefflich darüber diskutieren, ob es die Tränen Old Shatterhands oder die Karl Mays (oder in diesem Moment beider) waren.
Authentisch ist May allemal (sonst würde ich seine Werke nicht lesen). Ich glaube nur, die meisten Erwachsenen haben verlernt, so etwas zu verstehen: Karl May konnte echt Old Shatterhand sein und Winnetou hat es wirklich gegeben, obwohl beide nie real existiert haben. Kinder bekommen so etwas eher auf die Reihe.
Ich meinte aber eigentlich noch einen weiteren Aspekt: Auch das (fiktionale) "Ich" der Erzählungen Mays ist nicht immer ganz bei sich, steht nicht immer im Einklang mit der "Rolle" des Old Shatterhand, des Kara Ben Nemsi, des Superhelden. Das "Ich" ist dann nur "Westmann aus Gelegenheit" (Old Surehand, ich weiss grad nicht welcher Band), verkneift sich den unterhaltsamen Schwatz mit zwei Indianerknaben und deren Schwester (wenn ich mich recht erinnere in Satan und Ischariot, Band I), weil sich das für einen Old Shatterhand nicht schickt, mimt den Schweigsamen am Lagerfeuer mit Winnetou und Old Firehand, um sich deren Zuneigung nicht durch "unzeitige Sprachseligkeit" zu verscherzen (so oder so ähnlich in Old Firehand) und so weiter. Ich kann das schlecht in Worte fassen (da weder zu Ende beobachtet noch zu Ende gedacht): Aber irgendwie scheint mir da ab und an noch eine Ebene dazwischengeschaltet, die manchmal ganz greifbar ist, ein andermal zwischen den Zeilen nur durchblitzt und wieder an anderer Stelle nicht mehr wahrnehmbar ist.