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Der Frankfurter Schreiber traf den Nagel auf den Kopf. Ähnlich wie Karl May, zu dessen Abenteuergeschichten und Reiseberichten man sich allenfalls in entsprechenden Vereinen oder in gleichgesinnten Freundeskreis bekennen darf, repräsentiert Franz Léhar eine Kunst, die ungeachtet ihrer Popularität mit dem Hautgout des "Unanständigen" behaftet ist - ...
Mit Karl May dem Vielgelesenen verbindet Franz Léhar, den Vielgehörten, einiges mehr. Beispielsweise der selbst unter massiven Leugnern immer wieder geäußerte Satz, wonach der eine wie der andere "das Zeug gehabt hätte, einer der ganz Großen zu werden."
Fragen wir also: ein großer Wer? Johann Wolfgang von Goethe vielleicht oder Heinrich Heine oder Thomas Mann der eine, Giuseppe Verdi oder Gustav Mahler oder Paul Hindemith der andere? Es ist wohl nicht abzustreiten, daß der sogenannte Volksschriftsteller ebenso wie der volkstümliche Komponist auf ihrem ureigensten Gebieten zu den auffallendsten Erscheinungen, zu den "Größten" überhaupt gehören; daß sie Erfolge errungen haben, von denen manch "Großer" nur träumen konnte; und daß sie womöglich einen erheblichen Teil ihrer Fähigkeiten hätten preisgeben müssen, wären sie auf Gedeih und Verderb den Pfaden jener Leitbilder gefolgt, deren Wiederauflage zu werden sie das "Zeug gehabt hätten".
Daß sie es versucht haben steht auf einem anderen Blatt. Während der May der letzten Romane unwidersprochen das Gebiet der "hohen Literatur" streifte, stand Franz Léhars Komponistenlaufbahn von Anfang an unter dem Vorzeichen des seriösen Musikertums.
Es gibt eben mehr May-Kenner (und Freunde), als man gemeinhin glaubt.
Helmut