'Buschgespenst' - Zwei Anmerkungen zur Mailingliste

Antworten
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

'Buschgespenst' - Zwei Anmerkungen zur Mailingliste

Beitrag von rodger »

Zwei Anmerkungen zum [ansonsten] dankenswerterweise informativen, aufklärenden Beitrag Herrn Biermanns in der Mailingliste der KMG (wenn Öffentlichkeitsarbeit immer so aussähe, informativ über Sachverhalte aufklärend, wie z.B. Buchausgaben oder thematische Zusammenhänge, wäre sie durchaus begrüßenswert ...)
auch wenn man May wohl vorhalten muß, daß er die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht durchschaut hat und die Problemlösung à la "Fidelio" sucht: Wenn nur ein guter Mensch an entscheidender Position ist, werden die Bösen (Seidelmanns) bestraft und die Guten (Hauser u.a.) belohnt.
Ich gehe davon aus daß May sehr wohl um die gesellschaftlichen Verhältnisse wußte, das kommt ja in dem Roman des öfteren deutlichst zum Ausdruck, und diese „Problemlösung“ halt für Verleger und Publikum aus dem Hut gezaubert hat. (Was hätte er auch sonst machen sollen ...) Den kitschig wirkenden Schluß (HKA sechster Band) mit dem guten König kann man gleichnishaft auffassen, er würde so gesehen wie „Ardistan und Dschinnistan“ nicht mehr auf dieser Erde spielen, bzw., einerseits ja, andererseits eben auch nicht ...
Wenn Sie Parallelen zwischen Mays Leben und dem Roman aufspüren wollen, so wird das schwieriger, zumindest für die "Sklaven der Arbeit" bzw. "Das Buschgespenst". Parallelen gibt es nur insofern, als May in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, wie sie im Roman geschildert werden.
Konkret fällt mir nur eine definitive Parallele ein: Das von Blattern völlig bedeckte Gesicht des Mädchens, das der Armenarzt aufschneiden muß, um ihm das Atmen zu ermöglichen: Das soll einer der Schwestern Karl Mays ähnlich passiert sein.
Ansonsten ist zwar der "Verlorne Sohn" voller Parallelen zu Mays Leben, aber gerade nicht in dem hier zur Diskussion stehenden Teil.
In Eduard Hauser ‚schmeckt’ man May m.E. auch einigermaßen deutlich durch (z.B. „Er hatte keinen Gedanken, kein Gefühl; aber er wußte, daß er todt sei, todt, gestorben an einem plötzlichen, fürchterlichen Schlage, der auf sein Herz gefallen war." (HKA S. 723) oder "Er stand trotz seiner ärmlichen Kleidung so hoch, so stolz vor ihr wie ein Prophet und Prediger. Er hatte gar nicht das Aussehen eines armen Webersohnes. Die Angst seines Innern, sie zu verlieren, und sein reges, sittliches Gefühl hatten ihm Worte in den Mund gelegt, wie man sie sonst nur aus dem Munde gebildeterer Männer, als er einer war, zu hören pflegt; aber gerade durch diesen Ernst und diese Strenge fühlte sie sich zurück- und abgestoßen. Es wollte sie zwar kalt überlaufen; aber sie hatte ein Lob, eine kleine Anerkennung, daß sie schmuck und sauber sei, erwartet, und mußte eine solche Rede hören. Die Widerspenstigkeit des Evakindes überkam sie" ... (HKA S. 728, nebenbei bemerkt eine in Sachen Menschenbeobachtung sehr bemerkenswerte Stelle)) ... sowie Anteile auch in einigen anderen Figuren, aber das kennen wir ja aus nahezu jedem seiner Bücher.

Der anschließende Beitrag in der Liste (von Steffen König) ist auch sehr beachtenswert.
Antworten