Die Rose von Ernstthal - Zur Datierung

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Ralf Harder
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Die Rose von Ernstthal - Zur Datierung

Beitrag von Ralf Harder »

„Gewiss ist allerdings schon jetzt, dass sich Harders These erledigt hat: Keinesfalls wurden die Lieferungen 11 bis 14 mit Mays ‚Rose von Ernstthal’ schon im November 1874 ausgegeben.“
[Wilhelm Vinzenz und Jürgen Wehnert: Die „Deutsche Novellen-Flora“, Hermann Oeser und Karl May. – KARL MAY & Co. Nr. 125, S. 36.]

Um es vorweg zu nehmen, die These ist für mich ganz und gar nicht erledigt. Die beiden Autoren bringen den interessanten Klammersatz:

„(Erstaunlich genug, dass sie, angesichts der gewiss verlässlichen Konkurrenz, sich nach diesem Abonnements-Abenteuer noch zu einem 2. Band ‚Novellen-Flora’ verleiten ließen.)“

Ja, wirklich erstaunlich, wenn es wirklich ein Abenteuer war. Am 18. August 1874 war die „Deutsche Novellen-Flora“ in das Register „Anzeige, die Zeitschriften betreffend“ beim Gerichtsamt Neusalza eingetragen worden. Ein solches Sammelwerk verlangte ein regelmäßiges „wöchentliches“ Erscheinen, wenn man keinen Abonnentensprung (damaliger Fachbegriff für das Einbüßen von Abonnenten) riskieren wollte (vgl. Gabriele Scheidt: Der Kolportagebuchhandel (1869–1905) – Eine systemtheoretische Rekonstruktion, Stuttgart 1994). Folglich erschien „Die Rose von Ernstthal“ (Lieferung 11–14) im November 1874 und nicht, wie Hainer Plaul vermutet, im April und Mai 1875. Für seine Datierung war das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ ausschlaggebend. Man sollte berücksichtigen: Viele Verlagsunternehmen versäumten damals deutschlandweit die pünktliche Anzeige ihrer Veröffentlichungen, um zum Beispiel ein eventuelles Verbot der Behörden hinauszuzögern. Das Unterhaltungsblatt „Frohe Stunden“ (Verlag Bruno Radelli, Dresden) mit diversen May-Erzählungen erschien ein halbes Jahr eher als bei Plaul aufgrund des „Börsenblattes“ angegeben; dies belegen eindeutig zeitgenössische Berichterstattungen (Eröffnung der Semperoper etc.) in dem von May redaktionell 1877/78 betreuten Unterhaltungsblatt. (Vgl. Siegfried Augustin: Einleitung zum KMG-Reprint „Frohe Stunden“, Hamburg 2000, S. 14.)

Darüber hinaus markieren auch so wichtige Quellen wie Inserate und Jahreszahlen im Impressum lediglich den letztmöglichen Erscheinungstermin; sie geben unzureichend Auskunft über den Zeitpunkt des erstmaligen Erscheinens. Wenn die erste Druckauflage zur Neige ging, war es aus Aktualitätsgründen branchenüblich, dass bei Bedarf Inserate und Jahreszahlen geändert wurden, gar Titelköpfe wurden nachweislich zuweilen modifiziert.

Die damaligen Kolporteure verstanden nach meiner Auffassung mehr von Marktwirtschaft als manche May-Forscher anzunehmen glauben. Ich persönlich gehe weiterhin von einem regelmäßigen wöchentlichen Erscheinen aus. Es galt das oberste Gebot: Vermeiden eines „Abonnentensprungs“!

Die Abonnenten waren jedenfalls zufrieden. Sie mussten nicht – wie behauptet – verleitet werden.

Ralf Harder
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