Zum Geburtstag ...

Antworten
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Zum Geburtstag ...

Beitrag von rodger »

Einen herzlichen Geburtstagsgruß, lieber Hermann Wohlgschaft,

und bei der Gelegenheit eine Frage. Mich würde Deine Sicht Helmut Thielickes interessieren, soweit sich das zusammenfassen läßt, wenn Du magst. (Ich habe zwar heute googelnderweise festgestellt, daß er in Publikationen von Dir erwähnt wird, mich würde aber eine zusammenfassende Stellungnahme interessieren.) Ich las heute in Hans Wollschlägers "Die Gegenwart einer Illusion" (Diogenes-Taschenbuch, vergriffen, in der Wallstein-Werkausgabe übrigens bislang nicht enthalten) den Essay "Der Startheologe" über Thielicke, der mir bislang unbekannt war (der Essay sowohl als auch Thielicke).

Nun bin ich zwar ansonsten ein großer Freund oder auch "Anhänger" Wollschlägers, in Sachen Religiosität / Spiritualität scheint er jedoch leider sozusagen brach zu liegen (wie auch seine bedauerliche Fehleinschätzung der "Himmelsgedanken" Karl Mays zeigt, die, auch wenn sie vermutlich auch von nahezu der gesamten sogenannten May-Szene samt derer intellektueller Vertreter geteilt wird, nichtsdestotrotz halt eine Fehleinschätzung ist ...), zumindest offenbar zu der Zeit, in der der Essay entstand (1968). Der Essay ist darüberhinaus in seiner Art und Weise der Person Thielicke gegenüber eine Frechheit, ja Unverschämtheit. [Ich rege mich darüber keineswegs etwa auf, auch wenn das aufgrund der Wortwahl soeben für klischeehaft Urteilende so klingen mag, ich konstatiere es nur [in aller Gelassen- & Entspanntheit]. Wollschlägers Sprachwitz habe ich dennoch wie immer genossen und mich zum Teil über seine auch hier nicht zu leugnende Originalität recht kräftig amüsiert ...]

Und so erreicht Wollschläger bei mir hier das Gegenteil von dem, was er (in Sachen Thielicke) wollte, er versucht ihn hemmungslos 'herunterzumachen', aber oft macht er mich eigenartigerweise gerade an Stellen, an denen er Thielicke-Zitate bringt die er besonders indiskutabel findet, erst recht neugierig auf diesen offenbar interessanten und lesenswerten Theologen ... (bei Amazon gibt es ihn gebraucht zum Spottpreis, da werde ich mir mal das eine oder andere kommen lassen.)

Paul Ingendaay schreibt in einem Nachruf auf Wollschläger in der FAZ, Wollschläger habe "den endgültigen Essay gegen Helmut Thielicke" geschrieben. Aber nicht doch. Durchaus intellektuelle, intelligente aber spirituell brach liegende Ignoranten mögen sich untereinander in solchen Dingen einig sein, aber eben auch nur untereinander ... (ich selber kenne die manchmal jedes Maß überschreitende Grobheit und Gemeinheit derer Anfeindungen, sei es gegen mich selber oder andere, und von Zeit zu Zeit wird jetzt zurückgeschrieben ...)

Vielleicht etwas ungewöhnlich, zum Geburtstag so einigermaßen umfangreich mit solchen Sachen zu kommen, aber mir persönlich ist am Geburtstag ein Austausch über interessante Dinge wesentlich lieber als fader 'Smalltalk' ... (weswegen ich meinen eigenen Geburtstag seit Jahren alleine bzw. teilweise zu zweit zu verbringen pflege.) Vielleicht bin ich ja nicht der einzige, dem es so geht ...

Am Ende seines Artikels bringt Ingendaay ein bemerkenswertes Wollschläger-Zitat,

"Ich meide 'die Menschen' keineswegs, ich fürchte sie nicht und hasse sie nicht; ich bin nur - sagen wir - zunehmend wählerisch im Umgang mit ihnen geworden."

Ingendaay fügt hinzu "Auch für Bücherleser ist das eine meisterhafte Lektion." Für Forenschreiber auch.

:D

(Eins noch, aber auch nur am Rande, weil wir es halt gerade von den Theologen "haben" und ich, einmal "losgelassen", zugegebenermaßen ein wenig zur Schwatzhaftigkeit neige ... Paul Tillich, so las ich kürzlich irgendwo, habe kräftig "herumgemacht", sei sozusagen geradezu besessen gewesen von gewissen schönen Dingen des Lebens ... Das fand ich amüsant, habe mich [zugegebenermaßen] [für ihn] gefreut; man muß auch jönne könne. Aber wie gesagt, das nur am Rande.)

Und zur Feier des Tages hier noch ein paar Zitate, ich zitier' ja so gern, und kann auch (einem on-dit zufolge) nichts anderes, außerdem fallen mir solche Sachen halt immer ein, von morgens bis abends und darüber hinaus, also:

"Das Schachspiel übertrifft alle anderen Spiele so weit wie der Chimborasso einen Misthaufen", das hat Schopenhauer gesagt, und es fiel mir neulich ein als ich Deine Ausführungen zu Silberlöwe I + II (Fehsenfeld 26 / 27) wieder las, mit "Wohlgschaft" statt "Das Schachspiel" und "die meisten anderen Publikationen in Sachen May" statt "alle anderen Spiele",

und dann wär‘ da noch Ansgar Pöllmann, der durchaus lesenswerte,

"May hat kein Volk, nur eine Gemeinde, eine nach 'Brot und Spielen' schreiende Klientel von hungrigen Plebejern, die sich nicht emporheben läßt, sondern - eine axdos 'apourhs [Erdenlast] - den zur Erde niederzieht, der mit ihr paktiert"

Also, nicht zu viel erwarten von der „Gemeinde“ ... (am besten gar nichts). Und darauf paßt das noch:

Mit der Hoffnungslosigkeit beginnt der wahre Optimismus. Der Optimismus dessen, der nichts erwartet. (Sartre)

Feier' schön !

:D

Rüdiger Wick
Benutzeravatar
Helmut
Beiträge: 888
Registriert: 13.11.2004, 12:50
Wohnort: Nürnberg

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von Helmut »

(Weder Small- noch "Largetalk", sondern einfach)
Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag, lieber Hermann.
von
Helmut
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von Rene Grießbach »

Hallo Herr Wohlgschaft,
auch aus dem verschneiten Dresden ganz herzliche Geburtstagsgrüße und Glückwünsche.
Benutzeravatar
Doro
Beiträge: 1073
Registriert: 8.9.2007, 11:56
Wohnort: Planet Earth

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von Doro »

UNTERWEGS
Unterwegs
zu sich selbst
ist man ein Leben lang
jeden Tag aufs neue.

Und in den
Momenten wunschlosen Glücks
ist man bei sich angekommen.
(H. Kruppa)
Lieber Hermann,

alles Liebe und Gute zu Deinem Geburtstag!

Viel Gesundheit und immer einen Grund zum Lachen...
Doro
People may hate you for being different and not living by society’s standards, but deep down they wish they had the courage to do the same. (Kevin Hart)
Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1028
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

An alle meine Gratulanten hier im Forum:

Am 9.2., einen Tag vor meinem Geburtstag, hatte ich einen leichten Schlaganfall. Zur Zeit bin ich Patient in der Neurologie in Günzburg. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werde ich in kurzer Zeit wieder vollständig hergestellt sein. Aber natürlich gibt mir der Vorfall zu denken ... Welche Konsequenzen muss ich ziehen? Was will mir diese Geschichte sagen? Was will Gott mir sagen? Wie gesagt, ich bin am Nachdenken. Nach meiner Genesung werde ich mich wieder melden.
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von Rene Grießbach »

Dann vor allem erstmal gute Besserung!
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von rodger »

Herrn Harder herzlichen Glückwunsch zum viereckigen Geburtstag !

:mrgreen:

['Königs Erläuterungen' für das wie so oft vermutlich völlig rat- & verständnislose Publikum:]
Ralf Harder (vor sechs Jahren) hat geschrieben:Wenn der Mond auch annähernd rund ist, scheint er bei Ihnen generell viereckig zu sein.
:wink:
Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1028
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Wie angekündigt, melde ich mich hiermit zurück. Ich hatte eine »transitorische ischämische Attacke«, d.h. eine vorübergehende Durchblutungsstörung im Gehirn, man könnte sagen: einen kleinen Schlaganfall. Aber es sind keine Spuren geblieben, ich bin wieder uneingeschränkt beweglich und kann ohne jede Störung sprechen. Seit heute bin ich auch wieder ganz normal im Dienst und nehme, wie gewohnt, meine Termine wahr.

Zu deiner Frage, Rüdiger, nach Helmut Thielicke. Ich kann dazu nicht viel sagen. Zwar habe ich mich in meiner Doktorarbeit intensiv mit der modernen evangelischen Theologie beschäftigt, aber nur ganz am Rande mit Helmut Thielicke (1908-1986).

Dieser war ein namhafter evangelischer Theologe, der sich während des Hitler-Regimes der Bekennenden Kirche anschloss, also ein Gegner der Nazis war (freilich ohne dem aktiven Widerstand anzugehören). Die Theologie Martin Luthers übersetzte er in eine für die Gegenwart gut verständliche Sprache. Den Hochschullehrer Thielicke sehe ich als markanten Vertreter des orthodoxen Luthertums an, der die liberale protestantische Theologie (vor allem das Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns) kritisiert hat. Bekannt wurde Thielicke in der Nachkriegszeit aber nicht nur als wortmächtiger Theologe, sondern wohl mehr noch als Publizist, der sich in den Medien oft zu aktuellen gesellschaftspolitischen und ethischen Fragen geäußert hat. Dabei vertrat er eher konservativ-bürgerliche Positionen, so ungefähr im Sinne der FAZ. Dies könnte der Grund (oder einer der Gründe) gewesen sein, warum sich Wollschläger von Thielicke distanzierte.

Zu Hans Wollschläger hatte ich, freilich nur sporadisch, persönlichen Kontakt. Aus unserer Korrespondenz geht m.E. hervor, dass der Pfarrerssohn Wollschläger zwar kein kirchlicher Christ, aber andererseits auch kein Atheist war. Vielleicht war er Agnostiker, aber auch da bin ich mir keineswegs sicher. Jedenfalls war die Bibel für Wollschläger durchaus ein »heiliges Buch«. Außerdem glaubte er, wenn auch unbestimmt und vage, an ein Weiterleben nach dem Tod – in welcher Form auch immer.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Zum Geburtstag ...

Beitrag von rodger »

Wollschlägers Schrift gegen Thielicke ist von 1968 ... (durchaus passend ...) Vielleicht war ja das die Zeit, von der er später schrieb
Ein wirklich hinreißendes Jahrdutzend, in dem man mit voller Inbrunst zu jedem Quatsch aufgelegt und ausgerüstet ist, die Verbesserung der Welt plant und deren Eignung dafür ganz selbst-verständlich voraussetzt, sich mit produktiver Verve an den praktisch-vernünftigen, von den Grundantrieben unterstützten Wahngebilden der Gesellschaft beteiligt, also an Politik, an Aufklärungskonzepten, an Unternehmungen der Nächstenliebe und dergleichen mehr. Kurzum, man glaubt an ›den Menschen‹, und das steht einem ja auch allerliebst und putzt ungemein. Bei glücklich disponierten Naturen kann diese Phase sich lange halten, wenn es gelingt, den Erkenntnisprozeß als Lernprozeß zum Stillstand zu bringen, wozu erreichte Berufsziele, hedonistische Saturiertheit, Öffentlichkeitsapplaus und dergleichen gute Hilfe leisten. Mir war, ich gestehe das beklommen ein, diese schöne Zeit nicht lange beschieden.


:D
Antworten