Karl May - Imaginäre Reisen

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Wolfgang Wiesheier
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Karl May - Imaginäre Reisen

Beitrag von Wolfgang Wiesheier »

Seit 31.8. ist ja im Deutschen Historischen Museum in Berlin die Ausstellung "Karl May - Imaginäre Reisen" zu sehen. Hier und in den anderen Foren wurde das Presseecho hierauf schon thematisiert, aber zur Ausstellung selber wurde noch nichts geschrieben. War noch keiner drin gewesen? Ich hab sie mir am Wochenende angeschaut und möchte hier mal den Anfang machen.
Es handelt sich um eine sehenswerte jederzeit empfehlenswerte Ausstellung, für deren Realisierung man Herrn Dr. Zeilinger und den anderen Verantwortlichen ein großes Lob aussprechen muß, vor allem auch denen, die Schätze aus ihrer Sammlung hierfür zur Verfügung gestellt haben. Das, was hier an May-Reliquien zusammengetragen und ansprechend präsentiert wird, dürfte einzigartig sein. Einiges kennt man aus der Villa Shatterhand, aber vieles davon gab es meines Wissens nach bisher überhaupt nicht zu sehen. So ist mir nicht bekannt, daß das Repertorium C. May schon mal in der Öffentlichkeit gezeigt worden wäre. Das gleiche dürfte für des Maysters Haarlocke gelten. Auch bei einigen Photos kann ich mich nicht erinnern, sie schon mal publiziert gesehen zu haben. Die Familie Schmid hat hier ihr Archiv einen Spaltbreit geöffnet und läßt hoffentlich diese und noch viel mehr unbekannte Abbildungen dann bald in "Karl May und seine Zeit" folgen. Auch der Freund seltener Buchausgaben kommt auf seine Kosten. Wo bekommt man als normalsterblicher Sammler schon mal eine der raren Saffianlederausgaben zu Gesicht? Und wer sich näher mit May-Illustrationen beschäftigt, kann sich an den zahlreichen Originalen von Schneider, Bergen oder Burian erfreuen.
Was gäbe es zu kritisieren? Im Schlußteil vermißte ich bei der Darstellung der Rezeptionsphänomene ein Eingehen auf die Comics und die Hörspiele, hier sind nur Film und Festspiel präsent. Gänzlich unter den Tisch fällt die Editionsgeschichte, die Bearbeitungspraxis ist jedoch gerade bei May ein wesentlicher Teil der Rezeptionsgeschichte. In diesem Zusammenhang hätte es sicher auch nicht geschadet, eine Auswahl der nach 1912 erschienenen May-Ausgaben zu präsentieren. Bei vielen Objekten und Texten, mit denen May in den Kontext der Zeit eingeordnet werden soll, wirkt der Bezug zu May etwas bemüht. Hier hätten es einige Völkerschau-Plakate weniger vielleicht auch getan und wäre es sinnvoller gewesen, Mays literarische Vorbilder und Zeitgenossen in den Mittelpunkt zu rücken, über die man sich nur an einem Bildschirm informieren kann. Was Mays Blindheit angeht, so wird man hier dem Kurator zugestehen müssen, daß er seine eigene nicht der herrschenden Meinung entsprechende Auffassung in den Begleittext einfließen läßt.
Erfreulich auch, daß der Museumsladen sich mit May-Primär- und -Sekundärliteratur eingedeckt hat, um denjenigen, der vielleicht durch den Besuch der Ausstellung auf den Geschmack gekommen ist, zu vertiefender Lektüre anzuregen. Bedauerlich jedoch, daß an Primärliteratur fast nur (das Hamburger Leseheft ausgenommen) der KMV präsent ist. Hier wird wieder mal der falsche Eindruck erweckt, die echten grünen würden auch den echten May enthalten.

Wolfgang Wiesheier
Kurt Altherr
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Registriert: 17.7.2006, 15:18

Beitrag von Kurt Altherr »

Dazu ein interessanter und kritischer Artikel unter:

http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/bu ... 89639.html
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