Karl May lesen

Dernen
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Registriert: 8.6.2005, 22:53

Beitrag von Dernen »

May, um nun auch meinen Senf zu den Frikadellen hinzuzufügen, ist nicht mein Lieblingsautor. Aber er ist der Autor, mit dem ich mich am meisten beschäftigt habe, weil er mich anrührt. Thomas Mann, dessen "Zauberberg" für mich vielleicht das großartigste Buch ist, das ich jemals gelesen habe, interessiert mich als Person nicht die Bohne. Bei May ist es schon sowas wie Liebe. May war der erste Schreibende, den ich überhaupt als Autor erkannt habe, soll heißen: ich habe begriffen, daß da eine ganz bestimmte Person schreibt, vorher hatte ich halt irgendwelche Bücher gelesen, die Geschichten interessierten mich, aber daß da ein Autor hinterstand, war mir mit 8 oder 9 Jahren einigermaßen gleichgültig. Irgendwann wollte ich dann wissen, was das für ein Mensch gewesen ist, der mich stubenhockenden Jungen in die weite Welt entführte und Abenteuer im Kopf erleben ließ, mir darüber hinaus sogar bei den Schulaufgaben half. Denn nur durch May habe ich gelernt, Landkarten zu lesen, mich für andere Völker und Kulturen zu interessieren, um nur ein Beispiel zu nennen. Ansonsten hat er mich vor vielen langweiligen Mathematikstunden gerettet, in denen ich eh nix kapierte und wundervoll auf den Spuren von Kara Ben Nemsi/Old Shatterhand gedanklich wegdriften konnte. Bei der späteren Beschäftigung mit dem realen Karl May entdeckte ich, daß sein Leben eigentlich noch viel interessanter und abenteuerlicher war, als alle seine Werke. Da gab es auch sehr viel Wiedererkennen der eigenen Unzulänglichkeiten und ein gewisses Amusement, daß der große "Old Shatterhand" ja genau so ein kleines Würstchen war, wie ich selbst. Was ihn mir nur sympathischer machte. Manchmal kann ich ihn überhaupt nicht leiden, nämlich dann, wenn er pompös auftritt, Menschen, die ihn mögen, mies behandelt, überflüssige Prozesse führt, dümmliche Fans favorisiert, die wie jener grauenhafte "Onkel Franz" an Einfalt nicht zu überbieten sind.

Je nun, das soll hier keine allzu lange Abhandlung werden. Für mich ist May eine Sache der Sympathie, der alten Freundschaft, und wenn etwas (bei mir zumindest) über 40 Jahre lang anhält, dann muß es doch schon was sein, oder?

Grüße

Rolf Dernen
Schustergung

Beitrag von Schustergung »

*bemüht sich ganz sehr, Hochdeutsch zu schreiben*

Uneinheitliche Charaktere gibts fei nicht nur beim May-Karle. Ein Beispiel: Wer sich ganz sehr mit dem "Herrn der Ringe" und seinem Autor beschäftigt, wird irgendwann feststellen, daß mehrere Vorformen der Romanteile vorhanden sei, Aragorn ursprünglich ganz sehr anders geplant war und Faramir sich geradezu in die Handlung drängte. Einige der Vorformen sei sogar ins Deutsche übersetzt worden.

Viele Autoren schreiben nach starrer Vorplanung, andere frischweg drauflos. Den meisten Lesern ist die Entstehung ganz sehr egal, Hauptsache, sie haben Spannung beim Lesen. Und je mehr Bände ein Autor fei schreibt, umso mehr Widersprüche und Ungereimtheiten treten bei sich fortsetzenden Mären auf.

Der Schustergung bezweifelt, daß sich jeder Autor einen Zettelkasten anlegt und sich nach der Tagesmühe des Schreibens genausoviel Zeit nimmt, um seine heutige Arbeit zu verregistrieren! Fei nicht immer ist die Konzentrationsfähigkeit gleich. Nach hunderten Seiten schleichen sich eben ganz sehr viele Fehler ein, die einem trotzdem nicht den Spaß an der Lektüre nehmen.

Unvergeßlich bleibt dem Schustergung fei eine Passage in einem Roman. Zwei Protagonisten haben eine Eisenbahnfahrt hinter sich, die sie in ihrem Leben laut Autor nie vergaßen. Das fiel ihnen ganz sehr leicht, da der Verfasser sie drei Handlungstage danach sterben ließ! Das ist doch eine bemerkenswerte "Gurke"!

Was störts den Durchschnittsleser, daß Kameradenschmetter und Winnetouschmetter nicht genau identisch sei? Auch Winnetou macht fei eine Entwicklung durch - und wird im Laufe der Jahre immer jünger, siehe anfänglicher Skalpjägerwinnetou und späterer Weihnachtswinnetou!

Uns hingegen bietet der May-Karle hoffentlich noch ganz sehr viel Stoff für engagierte Diskussionen!

Schustergung

*stachelt itz ehamm uh gieht laasen - ni en May-Karle, sondern ewoos anners, wuu mer aa zig Widersprüche finn kaa, aar ne sieben Romane sei trotzdem ganz sehr schie!*
JennyFlorstedt
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Registriert: 12.5.2004, 18:21

Beitrag von JennyFlorstedt »

"Unvergeßlich bleibt dem Schustergung fei eine Passage in einem Roman. Zwei Protagonisten haben eine Eisenbahnfahrt hinter sich, die sie in ihrem Leben laut Autor nie vergaßen. Das fiel ihnen ganz sehr leicht, da der Verfasser sie drei Handlungstage danach sterben ließ! Das ist doch eine bemerkenswerte "Gurke"! "


Das war bestimmt Absicht.
Ich kenne Autoren, die über so einen Satz noch Tage später dreckig kichern. :D

ta

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