Ludwig II. von Bayern und Karl May

K.A.

Ludwig II. von Bayern und Karl May

Beitrag von K.A. »

Auf den ersten Blick verbindet der bayerische "Märchenkönig" und Karl May lediglich die Tatsache, dass nach dessen Tod im Juni 1886 im Starnberger See Karl May für Münchmeyer den Kolportageroman "Der Weg zum Glück" verfasste.
Doch gibt es Gründe, die auf Gemeinsamkeiten zwischen dem König und Karl May schliessen lassen? Man kann dies bejahen, denn beide schufen sich - jeder auf seine Art - ihre Traumwelten. Ludwig II. tat dies in Form seiner Märchenschlösser und Karl May - der Phantast aus Sachsen - mit seinen abenteuerlichen Welten und seiner bunten Gestalten.

"Ich will den Menschen ein ewiges Rätsel bleiben", soll Ludwig II. von Bayern gesagt haben und in der Tat ist der König das bis heute geblieben.
Ein ewiges Rätsel.
Aber auch Karl May ist in all seinen Facetten noch nicht recht erfasst und entdeckt worden. Gewiß, die KMG bemüht sich und hat seit 1969 sehr viel erreicht, zwei Magazine berichten von ihm ohne Karl May je recht verstanden zu haben und die Bibliografen sammeln vehement seine Bücher und gerade diese sind es, die Karl May überhaupt nicht verstehen, welcher Mensch das war.

Doch wer sich bemüht sich in Mays Leben hineinzuleben, versucht ihn in all seinen Facetten zu erfassen, wird - da unverstanden - durchaus, wie in einem anderen Forum geschehen, als "meistverhasster" Forenteilnehmer verstanden.

Viele verehren Karl May und sein Werk, haben Teil an seiner Wirkungsgeschichte, mögen es die Bücher, die Filme oder die Freilichtbühnen sein, den Menschen Karl May verstehen nur sehr wenige, aber der "Meistverhasste" bemüht sich wenigstens.
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rodger
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Beitrag von rodger »

Ein interessanter Beitrag, der mir durchaus gefällt.
„meistverhasst“ dürfte auch erheblich übertrieben sein.

Interessant zum Ludwig-Thema auch der Artikel über den „Weg zum Glück“ im neuen „Beobachter an der Elbe“.

In dem genannten Roman fällt die Schilderung Ludwigs durch Karl May allerdings sehr klischeehaft aus, manchmal geradezu lächerlich (wobei man nie so recht weiß, inwieweit die Komik unfreiwillig war oder eben nicht). Erst am Ende, als Ludwig stirbt, hört, sozusagen, der Spaß (oder die Gemütlichkeit) auf. Da ist plötzlich eine ganz andere Atmosphäre im Text.

Daß Karl May durchaus zu vielschichtigerer Schilderung solcher Ausnahme-Persönlichkeiten in der Lage war, zeigt die Figur des Einsiedlers in den Kordilleren. Ein bißchen mehr Farbtupfer von dieser Palette für den König Ludwig im „Weg zum Glück“ wäre nicht übel gewesen.
abukital
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Beitrag von abukital »

Als jemand, der sich sowohl mit Ludwig II. als auch Karl May beschäftigt, kann ich sagen, daß der Karl-May-Ludwig mit dem historischen Bayernkönig Ludwig II. nicht sehr viel gemeinsam hat.
Dabei gilt es natürlich zu bedenken, daß es so kurz nach Ludwigs Tod noch außerordentlich schwierig war, an autentische Infos über den unglücklichen Bayernkönig zu kommen.

Auch ein direkter Vergleich Ludwig II. - Karl May bringt nicht wirklich viel.
Sicher, beide waren unglücklich, und beide schufen sich eine eigene Traumwelt. Nur war die Motivation hierfür bei den beiden jeweils eine vollkommen andere...
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rodger
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Beitrag von rodger »

Es ist immer (oder oft) so, daß es auf der einen Seite große Gemeinsamkeiten, auf der anderen erhebliche Unterschiede gibt (das sieht man schon gelegentlich unter Vertretern der sogenannten Karl May -Szene ...)

Natürlich war die Motivation, oder sagen wir, waren die Ursachen bei den beiden (May und Ludwig) sehr verschieden, aber dieses radikale Sich-selbt-genug-sein war schon ziemlich gleich, der eine saß z.B. alleine im Theater und genoß seine Separatvorstellungen, der andere in seiner Dachkammer an seinem Schreibtisch, und so, für sich, waren beide glücklich. Ich kann das sehr gut verstehen.
abukital
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Ludwig II.

Beitrag von abukital »

"dieses radikale Sich-selbst-genug-sein war schon ziemlich gleich"

Ludwig II. war sich nicht selbst genug! Er war ein König, der im ausgehenden 19.Jahrhundert mit einem sehr stark absolutistisch ausgeprägten Majestätsverständnis lebte. Nicht umsonst verehrte er den Bourbonenkönig Louis XIV. Dieses Majestäts-Verständnis setzt aber sehr wohl voraus, daß es andere Menschen gibt, an deren Spitze er als König steht, und deren gottgewollter Vertreter er ist. Kein König kann ohne Volk regieren, auch ein angeblich "durchgeknallter" Märchenkönig nicht!

Ludwigs Tragik war allerdings, daß im Königreich Bayern der König weitestgehend seiner Kompetenzen entledigt war. Er war ausschließlich Repräsentant seines Volkes - so wie heute der Bundespräsident, und das war Ludwig zu wenig. Es musste ihm, aus seinem Verständnis heraus, nachgerade zu wenig sein, und daran ist er wohl zerbrochen...
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rodger
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Re: Ludwig II.

Beitrag von rodger »

abukital hat geschrieben: Ludwig II. war sich nicht selbst genug!
Naja, aus lauter Kumpelhaftigkeit und Menschenliebe wird er sich wohl nicht so radikal zurückgezogen haben ...

:lol:
abukital
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Beitrag von abukital »

Ludwig II. wurde in seinem Leben mehrmals mental stark verletzt.

Er durfte kein König nach seinen absolutistischen Vorstellungen sein,
sondern seine Tätigkeit erstreckte sich im Wesentlichen auf das Repräsentieren seines Landes.
Er musste z.B. gegen seinen Willen zwei Kriege führen,
einen davon ausgerechnet gegen das von ihm so verehrte Frankreich.
Er musste Richard Wagner, den er sehr verehrte und förderte, auf politischen Druck hin aus München wegschicken.
Und seine Braut ist, wie man erst heute weiß, mit einem
anderen Mann fremdgegangen.

Aufgrund dieser und anderer Verletzungen hat er sich mehr und mehr von seinen Mitmenschen zurückgezogen.
Ich könnte hier aufschlussreiche Auszüge aus einem Interview eines amerikanischen Journalisten mit Ludwig II. einstellen, aber das würde vermutlich diesen Rahmen sprengen...

Lasst uns lieber über die Murenleni und den Krickelanton und deren kurioses Bayrisch reden, dann sind wir wengstens wieder on topic! ;-)
K.A.

Beitrag von K.A. »

Die Entmachtung der Könige von Bayern begann eigentlich schon im Jahre 1818 mit der Einführung einer liberalen Verfassung für das Königreich Bayern, welche die Rechte des Königs stark beschnitt.

Ludwig I. von Bayern im Jahre 1848: "Ich bin nicht einnmal Oberschreiber, sondern nur Unterschreiber".

Ludwig II. mit seiner Orientierung an Louis XIV. von Frankreich war das schon nach seiner Krönung durchaus ein Problem. Mit der Reichsgündung 1871 gingen weitere viele Souvernitätsrechte auf das "Deutsche Reich" über und Ludwig II. auf Repräsentationsaufgaben beschränkt. Das war sein ganz großes Problem und führte dazu, sich gänzlich auf seine Schlösser und Traumwelten zurückzuziehen. Das Ende dieses tragischen Königs ist bekannt.

Karl May hat natürlich keine vergleichbare Entwicklung, aber - auf ganz andere Art - auch eine Flucht in seine Traumwelten zu verzeichnen.
Zuletzt geändert von K.A. am 18.6.2005, 12:48, insgesamt 2-mal geändert.
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rodger
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Beitrag von rodger »

abukital hat geschrieben: Ludwig II. wurde in seinem Leben mehrmals mental stark verletzt.

Aufgrund dieser und anderer Verletzungen hat er sich mehr und mehr von seinen Mitmenschen zurückgezogen.
Karl May und ich auch !

:lol:

... wobei das mit den Verletzungen nur ein Aspekt ist. Man kann darüberhinaus, ob man nun Karl, Ludwig oder sonstwie heißt, im Laufe seines Lebens feststellen, es bringt nichts mit den Menschen, es lohnt sich nicht. Und ganz bewußt und nüchtern für sich die Konsequenzen ziehen.
abukital
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Beitrag von abukital »

"... wobei das mit den Verletzungen nur ein Aspekt ist. Man kann darüberhinaus, ob man nun Karl, Ludwig oder sonstwie heißt, im Laufe seines Lebens feststellen, es bringt nichts mit den Menschen, es lohnt sich nicht. Und ganz bewußt und nüchtern für sich die Konsequenzen ziehen."

Kein Einspruch, Euer Ehren, auch wenn da natürlich durchaus verletzende Geschehnisse vorausgegangen sein müssen!
Aber Gottlob muss das ja nicht jeder so halten... :-)
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rodger
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Beitrag von rodger »

Daß in den genannten Fällen Verletzungen vorlagen, wurde ja gesagt.
Es wäre aber auch ohne Verletzungen möglich, zu der Haltung zu gelangen.

Dazu noch eine meiner Lieblingsstellen, hier vertritt eine meiner Lieblingsfiguren, der durchaus freundliche und witzige Hieronymus Aurelius Schneffke, in der „Liebe des Ulanen“ ebenfalls einen entspannt-gepflegten Misanthropismus, den man ihm auf den ersten Blick auch so nicht anmerkt:

»Ihr Metier?«
»Pflanzensammler.«
»Also Botanikus? Das ist kein übles Gewerbe. Man hat es da mit Pflanzen und Blumen zu thun, und das ist viel besser als mit Thieren oder gar Menschen.«
»Sie sind Menschenfeind?«
»Ja. Die ganze Menschheit ist nichts als ein riesiger Pudding, der sauer geworden und verdorben ist und in welchem allerlei Gewürm und Geschmeiß herumkrabbelt.«
»Danke!«
»Warum?«
»Weil ich nach Ihrer Anschauung dann auch zu dem Gewürm und Geschmeiß gehöre.«
»Natürlich!«
»Sie wohl nicht?«
»Ich auch. Das versteht sich doch von selbst.«


:wink:
K.A.

Beitrag von K.A. »

Auch das Verhältnis Ludwigs II. zu seinem Vater, Maximilian II. von Bayern, war extrem schlecht und der Kronprinz auf sein Königtum wenig vorbereitet. So wußte sein Kabinettschef zu berichten, dass er Ludwig kurz nach seiner Krönung erklären mußte, was es mit Alimentezahlungen auf sich habe. Der Habsburger Franz Joseph I., der auch mit 18 Jahren Kaiser wurde, war wesentlich besser und gründlicher auf sein hohes Amt vorbetreitet.

Zudem kommt, dass Ludwig II. und sein Bruder Otto durchaus als mental abseitig bezeichnet werden können. Gleiches gilt wohl in gewisser Weise auch für Karl May.
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rodger
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Beitrag von rodger »

"mental abseitig" ist auch goldig.

:lol:

(Ein Herr im Nachbar-Forum drückte ähnliches heute morgen auf unterschiedliche Weise aus, einmal trocken-nüchtern und einmal eher volkstümlich)

*

Heute abend kommt auf Phoenix (dem m.E. sehenswertesten Fernsehsender) um 21 Uhr eine Dokumentation über Ludwig II.
abukital
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Beitrag von abukital »

"Zudem kommt, dass Ludwig II. und sein Bruder Otto durchaus als mental abseitig bezeichnet werden können. Gleiches gilt wohl in gewisser Weise auch für Karl May."

Ludwigs Bruder Otto war definitiv psychisch krank, weshalb ja auch sein Onkel Luitpold die Regentschaft übernahm. Otto, der übrigens trotz seiner Krankheit Bayerischer König war, lebte bis zu seinem Tod im Jahre 1916 in einer Art privaten Nervenklinik im Schloß Fürstenried bei München.

Ludwig II. und Karl May kann man allenfalls als "nicht normal" im Sinne von "nicht der allgemeinen Norm entsprechend" bezeichnen. Die seriöse Geschichtsschreibung kommt nämlich immer mehr davon ab, Ludwig II. als schrecklichen Irren abzuwerten, der nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen sei.

Übrigens ist ein gewaltiger Unterschied zwischen dem historischen Ludwig II. und dem Karl-May-Ludwig, daß der historische König definitiv die Jagd verabscheute. Er suchte zwar gerne die Jagdhütten seines Vaters im Hochgebirge auf, aber nur der dortigen Einsamkeit halber.
Interessanter Weise war Ludwig aber in seiner Jugend durchaus begeisterter Angler, der im Alpsee bei Hohenschwangau so manchen Hecht gefangen hat.
K.A.

Beitrag von K.A. »

Hallo Abukital,

welche Meinung haben Sie zum Tode Ludwigs II. im Juni 1886 im Starnberger See?

Mord, Selbstmord oder ganz einfach ertrunken?

Viele Grüße
Kurt
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