Verschiedene Gedanken (und Fragen) zum Tage

Cornelia Seitz

Beitrag von Cornelia Seitz »

Es bedarf hier einer kleinen, aber nicht unwichtigen Korrektur. Weihnacht - im Herbst 1897 verfasst - gehört zu den späten Reisererzählungen Mays und noch keneswegs zu den "Spätwerken".

Bestenfalls lässt "Weihnacht" im Ansatz gewisse Entwicklungen in Mays Werk erkennen, die nach neuen Wegen sucht. Aber erst mit "Am Jenseits" - 1898/99 entstanden - ist der Übergang zum "Spätwerk" zu erkennbar.

Grundsätzlich betrachte ich Mays Spätwerk oder Alterswerk zur Hochliteratur, die aber noch um entsprechende Anerkennung in den literarischen Kreisen ringt. Die Karl-May-Gesellschaft hat diebezüglich noch nicht viel erreichen können, ist aber auf einem durchaus guten Weg.

LG Cornelia
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Helmut
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Beitrag von Helmut »

Cornelia Seitz hat geschrieben:Es bedarf hier einer kleinen, aber nicht unwichtigen Korrektur. Weihnacht - im Herbst 1897 verfasst - gehört zu den späten Reisererzählungen Mays und noch keneswegs zu den "Spätwerken".

Bestenfalls lässt "Weihnacht" im Ansatz gewisse Entwicklungen in Mays Werk erkennen, die nach neuen Wegen sucht. Aber erst mit "Am Jenseits" - 1898/99 entstanden - ist der Übergang zum "Spätwerk" zu erkennbar.

LG Cornelia
Genau deshalb hatte ich ja auch "führt zum Spätwerk" und nicht etwa "gehört zum Spätwerk" geschrieben, liebe Cornelia :wink: :D

Gruß (nach Remagen ??), Helmut
Thomas Schwettmann

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Hallo Lola!

Du schriebst:
Ich würde auch Ölprinz und Silbersee vielleicht ein bißchen weiter auseinander stellen da ja die ganze Episode um Firehand und seine Miene, sowie Hobbel Franks Rückkehr in den Westen (bedingt durch Langeweile nehm ich mal an) ruhig etwas länger dauern könnte. Gibt es einen speziellen Grund warum man zum Beispiel Surehand nicht hier einschieben könnte?
Bei meiner Chronologie handelt sich es ja auch - wie ich auch schrieb - um ein Zitat zum Theme 'in welcher Reihenfolge sollte man May lesen', was ja nicht ganz dasselbe ist, wie deine Frage nach einer genaueren Chronologie.

Da Karl May in einigen seiner Werke in den Zeitebenen herumspringt, würde ich eigentlich sowie empfehlen, auch Mays Gesamtwerk verschachtelt zu lesen und so z.B. lieber die 3 Bände 'Winnetou' am Stück zu geniesen, als zwischen den 2. und 3. Band oder alternativ zwischen der 'Deadly Dust'-Erzählung und 'Winnetous Tod' nun alle möglichen anderen Winnetou-Erzählungen zwischen zu schieben. Insofern war meine Lese-Chronologie sicherlich auch ein Kompromis, damit der Leser nicht ständig zwischen der Ich-Form und der Er-Form wechseln muß, habe ich also alle Jugenderzählungen hintereinander gepackt.

Ansonsten könnte man natürlich zwischen die Jugenderzählungen auch einige Reiseromane einschieben, nur kann der Teufel öfter im Detail stecken, weil May manchmal auch hemmungslose Anspielungen auf parallel geschriebene Erzählungen macht. So reminesziert er etwa anfangs des 'schwarzen Mustang' die Ereignisse in 'Winnetou I' und erwähnt etwa auch Tangua. Da der 'Mustang' aber das Ende der Kette der Wild-West-Jugenderzählungen bildet, müßten diese Abenteuer in Realzeit mindestens 5, wenn nicht 10 Jahre zurückliegen. Und bei Weihnacht z.B. gibt es eine Passage, wo OS an eine Reihe Westmänner nennt, mit denen er bereits geritten ist: Old Firehand, Sam Hawkens, Dick Stone, Pitt Holbers, Dick Hammerdull, der lange Davy mit dem dicken Jemmy, die beiden Snuffels und noch viele andere mehr. Demnach müßte Weihnacht allein schon aus diesem Grunde zeitlich nach 'SurehandII/III' folgen.

Man kann einfach keine widerspruchsfreie Chronologie aufstellen, wenn man solche kleinen Details voll in Rechnung stellt. Natürlich gibt es auch noch grobe Fehler, so etwa das 'Stone & Parker'-Paradox:

1. OS lernt OF erstmals in 'winnetou II' kennen. am Ende dieser Geschichte aber sterben Stone & Parker (nicht in der KMV-Fassung)
2. In 'Der Schatz im Silbersee' kennen sich OS und OF bereits, diese Erzählung ist also zeitlich nach der 'Firehand'-Erzählung aus W II einzuordnen. Ferner treffen sich Frank und Droll hier erstmals im Westen.
3. 'Der Ölprinz' spielt klar nach dem 'Silbersee', Hobble und Tante kennen sich bereits, die Erlebnisse am Silbersee werden öfters erwähnt. Dieser Roman sollte also in der Chronologie nach 'Winnetou II' liegen. Aber: Stone & Parker sind putzmunter.

Ein weiteres Paradox betrifft die beiden Snuffels:
1. OS lernt die Snuffels in der 'Geist'-Erzählung im Llano estacado kennen. Winnetou lebt zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich noch.(in der KMV-Fassuing übernehmen Jemmy & Davy zusätzlich die Rolle der beiden 'Nasen'-Zwillinge).
2. Der Roman 'Im Reiche des Silbernen Löwen' beginnt mit dem ersten Abenteuer Shatterhands nach dem Tode Winnetous. Gleich am Anfang trifft er auf die Snuffels,doch sehen sich die Westleute hier zum ersten Mal.

Ich persönlich ordne diese Paradoxien so ein, daß für mich die Ich-erzählten Reiseromane und die Jugenderzählungen zwei unterschiedliche Universen sind, die mit sehr ähnlichen, aber nicht vollständig identischen Figuren besiedelt sind. Aber eine solch duale Sicht ist natürlich nicht jedermans Sache.
karmaqueen
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Beitrag von karmaqueen »

Cornelia Seitz hat geschrieben:Grundsätzlich betrachte ich Mays Spätwerk oder Alterswerk zur Hochliteratur, die aber noch um entsprechende Anerkennung in den literarischen Kreisen ringt. Die Karl-May-Gesellschaft hat diebezüglich noch nicht viel erreichen können, ist aber auf einem durchaus guten Weg.
ich glaube nicht, dass man des maysters literarisches schaffen aufwerten kann, indem man teile seines werks als der "hochliteratur" - was, bitteschön, ist das? - zugehörig erklärt. mays werk hat seinen eigenen wert, vor allem im bereich der unterhaltungsliteratur: also spannende reise- und abenteuerliteratur sowie jugenderzählungen. die kolportageromane sind zumindest gattungsgeschichtlich interessant. da bedarf es keines adelsschlages durch sogenannte "literarische kreise". leider sind gerade große teile des "symbolistischen" spätwerks (wenn man mal von ardistan & dschinnistan II und winnetou IV absieht) völlig misslungen und nachgerade schlicht unlesbar.
Zuletzt geändert von karmaqueen am 19.1.2005, 17:07, insgesamt 1-mal geändert.
Lola
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Beitrag von Lola »

große teile des "symbolistischen" spätwerks (wenn man mal von ardistan & dschinnistan II und winnetou IV absieht) völlig misslungen und nachgerade schlicht unlesbar.

Ok, ich bin verwirrt. Ich dachte Ardistan und Dschinnistan sowie Winnetou IV wären (zusammen mit Am Jenseits) die Hauptvertreter des Spätwerks. Was gibt es denn da noch? Friede auf Erden und ??
karmaqueen
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Beitrag von karmaqueen »

Lola hat geschrieben:Ok, ich bin verwirrt. Ich dachte Ardistan und Dschinnistan sowie Winnetou IV wären (zusammen mit Am Jenseits) die Hauptvertreter des Spätwerks. Was gibt es denn da noch? Friede auf Erden und ??
z.b. silberlöwe III/IV, babel u. bibel, ardistan u. dschinnistan I. eventuell "am jenseits". und eben "friede auf erden".
Lola
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Beitrag von Lola »

Merci.

Meine persönliche Interpretation war dass May noch nicht die richtige Balance für sein Spätwerk gefunden hatte. Dass es trotz allem noch Übergangswerke waren. Natürlich werden wir nie wissen wie es weitergegangen wäre wenn er nicht gestorben wäre. Aber das ist halt meine persönliche Erklärung.

Aber es muß ja nicht jeder die selbe Definition von hochwertiger Literatur haben. (Wobei auch die Frage ist ob May nicht eher auf ein Werk hochwertiger Philosophie hingearbeitet hat, was ich nicht wirklich mit auch einem Werk hochwertiger Literatur gleichsetzen würde).

Bei meinen (vermutlich wenigen) Berührungsmomenten mit so genannter großer Literatur ist bei mir immer der Eindruck hängengeblieben dass sie sehr frei gewirkt haben (jetzt mal unabhängig ob die Autoren es wirklich waren zu dem Zeitpunkt als sie geschrieben haben), ohne Druck von außen. Während mir die späten May Werke so vorkommen als seien sie halt noch zu sehr der alten Leserschaft, dem alten Universum und den Erwartungshaltungen verbunden.

Aber wie gesagt, jeder hat seine eigene Definition.
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rodger
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Beitrag von rodger »

karmaqueen hat geschrieben: völlig misslungen und nachgerade schlicht unlesbar.

z.b. silberlöwe III/IV, babel u. bibel, ardistan u. dschinnistan I. eventuell "am jenseits". und eben "friede auf erden".

Schöne, interessante, lesenswerte Bücher. Für den einen mehr (für mich ist z.B. der SILBERLÖWE teilweise geradezu eine Offenbarung), für den anderen weniger. Man braucht halt etwas Geduld, Verständnis und Offenheit.

Nur sollte man, wenn man z.B. Lammkotelett nicht mag, es nicht sozusagen als ungenießbaren Fraß bezeichnen. Oder höhere Mathematik, weil man sie nicht versteht, für Quatsch erklären. Das ist dann leider bestenfalls Stammtisch-Niveau.


:?
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Helmut
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Beitrag von Helmut »

rodger hat geschrieben:
Schöne, interessante, lesenswerte Bücher. Für den einen mehr (für mich ist z.B. der SILBERLÖWE teilweise geradezu eine Offenbarung), für den anderen weniger. Man braucht halt etwas Geduld, Verständnis und Offenheit.

Nur sollte man, wenn man z.B. Lammkotelett nicht mag, es nicht sozusagen als ungenießbaren Fraß bezeichnen. Oder höhere Mathematik, weil man sie nicht versteht, für Quatsch erklären. Das ist dann leider bestenfalls Stammtisch-Niveau.


:?
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen, lieber Rüdiger, wobei ich allenfalls bei "Babel und Bibel" Abstriche machen würde, denn zum Dramatiker war May wohl doch nicht geeignet.
Und die "Rückschritte", liebe Sophie, die lagen wohl an den Lesern und Verlegern Mays (und damit am schnöden Mammon), die mehrheitlich den "alten May" wieder haben wollten.

Gruß, Helmut
Cornelia Seitz

Beitrag von Cornelia Seitz »

Dem durchschnittlichen Karl-May-Leser erschließt sich das Alterswerk Karl Mays kaum. Dies war schon zu Lebzeiten des Autors so und hat sich bis heute kaum geändert, trotz des Engagements der KMG seit 1969. Auch Arno Schmidt - und dieser mußte es wissen - konnte das Alterswerk Mays den Weg zum Olymp der Hochliteratur nicht wesentlich näher bringen.

Selbst die gelungene Bearbeitung Otto Eickes von "Winnetous Erben" hat dieses eigentlich sehr schöne und lesenswerte Buch den breiten Leserschichten nicht eröffent. Sehr schade. :(

LG Cornelia
karmaqueen
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Beitrag von karmaqueen »

rodger hat geschrieben:Nur sollte man, wenn man z.B. Lammkotelett nicht mag, es nicht sozusagen als ungenießbaren Fraß bezeichnen. Oder höhere Mathematik, weil man sie nicht versteht, für Quatsch erklären. Das ist dann leider bestenfalls Stammtisch-Niveau.
wie jemand literatur bewertet hängt nun einmal - unter anderem - hauptsächlich vom persönlich geschmack ab. und der ist höchst subjektiv. oder glaubst du, der ranicki macht das anders? OK, das war jetzt ein schlechtes beispiel... ;)
Cornelia Seitz

Beitrag von Cornelia Seitz »

Marcel Reich-Ranicki ist ganz sicher kein schlechtes Beispiel. Seine literarische Urteilskraft ist unübertroffen und beispielgebend.

LG Cornelia
karmaqueen
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Beitrag von karmaqueen »

Cornelia Seitz hat geschrieben:Marcel Reich-Ranicki ist ganz sicher kein schlechtes Beispiel. Seine literarische Urteilskraft ist unübertroffen und beispielgebend.
diese meinung teile ich keinesfalls. marcel reich ranicki ist oftmals unterhaltsam bis amüsant aber ein fürchterlicher literaturkritiker. seine verrisse beruhen zumeist darauf, dass er einen roman "langweilig" fand. geht es noch subjektiver? andererseits ist der beruf des "kritikers" ohnehin höchst überflüssig. von karrasek, raddatz, löffler und konsorten ganz zu schweigen!
Cornelia Seitz

Beitrag von Cornelia Seitz »

Natürlich lässt sich über Marcel Reich-Ranicki trefflich streiten und man kann durchaus unterschiedliche Standpunkte haben.

Aber Literaturkritik als überflüssig zu betrachten, halte ich für unverantwortlich, zumal Karasek und die liebe Sigrid Löffler - die ich besonders schätze - wesentlicher Bestandteil unserer literarischen Kultur sind.

LG Cornelia
Zuletzt geändert von Cornelia Seitz am 19.1.2005, 22:52, insgesamt 1-mal geändert.
karmaqueen
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Beitrag von karmaqueen »

Cornelia Seitz hat geschrieben:Aber Literaturkritik als überflüssig zu betrachten, halte ich für unverantwortlich, zumal Karasek und die liebe Sigrid Löffler - die ich besonders schätze - wesentlicher Bestandteil unserer literarschen Kultur sind.
das hat m.e. nun absolut gar nichts mit "literar(i)scher kultur" zu tun, die genannten sogenannten literaturkritiker sind allesamt unerträgliche schwätzer und selbstdarsteller. aber darüber darf man ja, gottseidank, unterschiedliche ansichten haben!
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