"Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

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rodger
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"Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

Eigentlich hatte ich seinerzeit nach den Ausführungen über "Nscho-Tschi und ihre Schwestern" davon absehen wollen, zukünftig noch über Bücher umfangreich mich zu äußern, warum, wofür, für wen, habe ich mich zurecht gefragt, die einen nehmen dich nicht ernst, die anderen mögen dich bzw. das was du scheibst nicht, sie ignorieren dich nach Kräften, erreichen kannst du eh nur einzelne, und auch die halt nur teilweise … außerdem wollen die Leut' halt mehrschtentheels nicht so in die Tiefe gehen, und mit deiner wurschtigen Art kommen sie auch nicht zurecht, sie wollen entweder bierernst trocken fachsimpeln oder aber oberflächlich belanglos plaudern … Und was du sonst zu lesen kriegst über das Buch ist entsprechend meistens seicht-gefälliger Quark … Das ist nun alles meine Sache nicht also laß es sein …

Aber für Hermann Wohlgschaft mache ich gern nochmal eine Ausnahme. :wink:

Von ihm erscheint im Echter Verlag ein dreibändiges Werk "Unsterbliche Paare", deren ersten Band ich nun Gelegenheit habe, zu lesen.

Wie schon aus der dreibändigen May-Biographie vertraut, schreibt Wohlgschaft anrührend, wie in der Einleitung auffällt … eben nicht, wie Karl May in 'Old Surehand' hübsch formulierte, "bei zugeknöpftem Rock". (Das tun indes zahlreiche andere in Sachen Karl May … ("so mag ich es nicht lesen", noch ein Teil des Zitats …))

Auch Humor ist dem Autor, bei aller Tiefe, nicht fremd, was u.a. die Auslassungen über Zeus erkennen lassen …

Und keineswegs geht es immer nur um hehre, großartige Dinge … "die Macht der Gewohnheit und – unter Umständen – der Reiz, sich gegenseitig zu kränken und zu bekriegen" lesen wir über unzählige Paare von Zeus und Hera bis heute. Sehr richtig gesehen, daß "der Mythos bzw. die Dichtung nichts Realitätsfernes ist" (S. 49).

Zur Frage auf S. 52 oben nach der Ursehnsucht, nach deren Erfüllung oder deren Ins-Leere-laufen, sah ich unmittelbar jene Szene aus dem "Tod in Venedig" wieder vor mir, in der Tadzio dem sterbenden Aschenbach mit ausgestrecktem Arm hinüberweist … Dort mag es die Erfüllung geben. Hier nicht. (Was mir vor 45 Jahren im Studio Z im Ziegelhof in Oldenburg in spektakulärer Weise klar wurde … siehe auch Forenbeitrag vom 4.5.2010, 16:02 :D )

Auf S. 52 taucht auch der Name Karl May auf, zum einzigen Mal in diesem ersten Band; der Autor schreibt von seinem Berührtsein als sechzehnjähriger Gymnasiast durch die Geschichte von Odysseus und Penelope, nur die Orient- und Winnetoubände seien noch spannender und geheimnisvoller gewesen …

Sozusagen vielleicht etwas überrascht lesen wir, ebenfalls auf S. 52, von des Autors „Vorliebe für amouröse Geschichten mit gefährlichen Abgründen“ … :wink:

(wird fortgesetzt)
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rodger
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

II

(Nebenbei: über die Übersetzung des 'Carpe diem' mit "Genieße den Tag" (S. 74) war ich überrascht; hatte ich es, seitens Robin Williams überzeugend vorgetragen (ich glaube es war im "Club der toten Dichter"), seinerzeit etwas anders verstanden … das Internet belehrt mich, daß es unterschiedliche Bedeutungen gebe …)

Alte, klassische Themen werden reizvoll mit nüchtern-realistischen Worten und in 'moderner' Sichtweise besprochen (z.B. S. 79).

Zu einer Inschrift auf einer Statue (S. 89): "Die Inschrift des geistlichen Würdenträgers verkündet somit die Botschaft: Körperliche Schönheit, vor allem die weibliche Pracht, ist vergänglich. Der Vernünftige, der Weise sollte also nach Höherem streben – nach Gott." Dem ist durchaus zuzustimmen, wenn auch Wohlgschaft diese Botschaft auf der nächsten Seite ein wenig gefällig relativiert …

Zu Philemon und Baucis (S. 91): "verkörpern das Ideal eines auf die Dauer glücklichen Paares. Sie sind […] ein großartiges Sinnbild für die gelingende Partnerbeziehung von Mann und Frau. Das ist nun wirklich nicht wenig!" In der Tat.

Daß die beiden sich als Bäume nach ihrem menschlichen Ableben "nicht mehr zu berühren und also auch nicht mehr zu lieben vermögen" (S. 92) scheint mir zu weltlich, zu körperlich gedacht … Dazu wird man im darauffolgenden Kapitel noch lesen.
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

III

Die Liebe "bleibt auch nach dem 'Sündenfall' in der Welt – wenn auch gefährdet, bruchstückhaft und dem Tode preisgegeben." Übertragbar: es gibt Not, Elend, Greuel, usw. usf., aber es gibt auch die göttliche Gnade … (wem dieser Begriff zu pathetisch klingt, der schlage einen passenderen vor …)

Der Autor führt aus, daß er nicht wirklich von einer Jungfräulichkeit Marias ausgeht, sondern dies als Bild betrachtet. Interessant dazu das Zitat von Willigis Jäger (S. 117).

Hermann Wohlgschaft mag offenbar auf "Geschlechterdifferenz" und "personale Liebesbeziehung von Mann und Frau" im Jenseits nicht recht verzichten, das erscheint mir, wie schon in den Anmerkungen zu Kapitel II steht, zu irdisch, zu körperlich gedacht … (Ich denke eher an körperloses Bewußtsein ohne "Erdenrest" …)

Zum "abschätzigen Frauenbild" (S. 126 ff.), das noch im 19. Jahrhundert, "z.B. bei Schopenhauer und Nietzsche, fröhliche Urständ" feierte, ist anzumerken, daß es zwar heute, derzeit, sozusagen gerade etwas aus der Mode sein mag, Schopenhauer und Nietzsche indes, auch was inkriminierte Stellen betrifft, auch weiterhin ihre Anhänger haben … :D

Begattung und Geburten werde es in der Ewigkeit nicht mehr geben, so Augustinus, Wohlgschaft meint, das provoziere die Frage, "ob das Erotische, die Anziehungskraft der Geschlechter zwangsläufig etwas Unschickliches sei oder gar etwas Abgründiges, Böses impliziere", aber nicht doch … wenn etwas: überwunden, nicht mehr nötig, irrelevant ist, hat das nichts mit einer Wertung zu tun …

(wird fortgesetzt)
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

IV

Im 4. Kapitel erfahren wir allerhand Geschichtliches, unter anderem interessanterweise, daß Karl der Große, ein "Lebemensch", heilig gesprochen wurde …

In Sachen Kaiser Otto und Kaiserin Adelheid "wissen wir über ihr privates Leben und über die Art ihrer ehelichen Beziehung, wie schon angedeutet, sehr wenig" (S. 159), insofern nicht ganz nachvollziehbar, daß ihnen hier so breiter Raum gewährt wurde …

Am Ende geht es um die Jungfrau und Gottesmutter Maria, sie steht für "jene vollkommene Liebe, für jene vollendete 'Weiblichkeit', über die der Tod keine Macht hat." (S. 169)
Hermann Wohlgschaft
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

rodger hat (mit Bezug auf Kap. II) geschrieben: Ich denke eher an körperloses Bewusstsein ohne "Erdenrest".

Das ist ein schwieriges - aus meiner Sicht aber dennoch interessantes und wichtiges - Thema, über das sich, solange wir auf Erden sind, nichts Abschließendes sagen lässt.

Ich denke eher an ein vom materiell-biologischen Körper abgelöstes Bewusstsein, das sich vielleicht in einem neuen, schwerelosen, immateriellen 'Körper' oder 'Leib' wahrnimmt. Es gibt Nahtoderfahrungen, aber auch mystische Erlebnisse, die so etwas bezeugen. Worum es mir eigentlich geht: Ich hoffe auf eine (allerdings 'verwandelte') personale Identität, die im Tod nicht verloren geht, sondern im Gegenteil erst richtig zu sich kommt, und die fähig ist zu einer Kommunikation, die unsere irdisch bekannten Kommunikationsmöglichkeiten an Intensität erheblich übertrifft. Ich muss aber immer wieder unterstreichen: dies ist eine - freilich gut begründbare - HOFFNUNG, kein WISSEN.
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

V

Der Theologe und spätere Mönch Abaelard empfand seine gewaltsame Kastration später als Läuterung (S. 177) – man kann um ein paar Ecken an Mays Old Wabble denken.

Interessante Perspektiven im Handbuch des Andreas Capellanus, "das Jenseits als nie endender Liebesgenuss, der […] mitnichten an die Instution der Ehe gebunden ist". (S. 184)

Bei den Ausführungen über den Papst Gregorius (S. 189 f.) vermisse ich ein wenig den Hinweis auf Thomas Mann, der ihn bekanntlich zur Hauptfigur seines Romans "Der Erwählte" gemacht hat. Mann beleuchtet [indirekt] auch die Frage nach der Buße bzw. Schuld. In der Wikipedia lesen wir hierzu "Die Schuld in Form der Selbstliebe, die durch ein geringes Selbstwertgefühl entsteht." Hermann Hesse äußerte zu Manns Roman "Bis zum Erfühlen der Ironieen dieser entzückenden Dichtung wird es bei den meisten Lesern reichen, aber wohl nicht bei allen bis zum Erkennen des Ernstes und der Frömmigkeit, die noch hinter diesen Ironieen steht und ihnen erst die wahre, hohe Heiterkeit gibt."

Schöne Stelle auf S. 197: "Was wirklich Gewicht hat, was einzig zählt in den Augen Gottes, ist nicht das Verheiratsein oder Nichtverheiratsein, sondern die Echtheit der Partnerliebe." (Wobei wir die "Augen Gottes" auch weglassen können, ich war versucht das zu tun bzw. entsprechend eckige Klammern zu setzen, das hätte jedoch das Zitat verfälscht …)
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

VI

Tristan und Isolde "stehen […] für die Ambivalenz der Geschlechterbeziehung schlechthin" (S. 199). In der Tat.

"Es gibt die vermeintliche und die wirkliche Liebe" (S. 200). Hübsch. Vgl. z.B. entsprechende Passagen in Mays "Am Jenseits".

"Zu 'Tristan und Isolde' können wir die unterschiedlichsten Zugänge finden" (S. 215). Wieder sehr richtig und mit einigen Beispielen anschaulich belegt.

Wieder ein Beispiel für den eben nicht "zugeknöpften Rock", "Ist eine solche Partnerbeziehung nicht wunderbar?" usw. (S. 217), man spürt die Herzenswärme und das Engagement …

Interessante psychologische Interpretation zu Kriemhild und Siegfried auf S. 225.
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

VII

Eine Passage (S. 234), der ich nicht zuzustimmen vermag: "Gottesliebe, Partnerliebe und allgemeine Nächstenliebe gehören aus meiner Sicht sehr eng zusammen." Umgehend muß ich an die Texte des Jochanaan (= Johannes der Täufer) aus "Salome" denken … Der wußte was er von den lieben Mitmenschen zu halten hatte … Und auch das treffliche, bestens nachvollziehbare Zitat Hans Wollschlägers gehört wieder hierher: "und habe mich wirklich nur zögernd und unter dem vollen Druck meiner Einsichten dazu entschlossen, die Menschheit nur noch in begründeten Einzelfällen zu lieben" …

Auch mit einer "Bereitschaft […] zu einer größeren Verbundenheit, zu einer umfassenderen Liebe, die über den besonderen Lebenspartner hinausreicht und andere Menschen in die Solidargemeinschaft mit einbezieht", kann nicht jeder dienen … auch mit Misanthropie und Verachtung der überwältigenden Mehrheit der Menschen kann man bestens zurechtkommen und in dieser Hinsicht nicht das Bedürfnis nach einer Änderung haben … 8) „Nächstenliebe, soziale Verantwortung, irgendeine Form von Engagement“ … Noch einmal Wollschläger (ich mag nicht widerstehen …): "Es folgt, es folgte auch bei mir, die schöne Lebensepoche, wo man »ganz bei sich« selber ist und im vollen Einklang mit den Welt-Einbildungen wie auf dem Vitalitätszenit, den sie ermöglichen. Ein wirklich hinreißendes Jahrdutzend, in dem man mit voller Inbrunst zu jedem Quatsch aufgelegt und ausgerüstet ist, die Verbesserung der Welt plant und deren Eignung dafür ganz selbst-verständlich voraussetzt, sich mit produktiver Verve an den praktisch-vernünftigen, von den Grundantrieben unterstützten Wahngebilden der Gesellschaft beteiligt, also an Politik, an Aufklärungskonzepten, an Unternehmungen der Nächstenliebe und dergleichen mehr. Kurzum, man glaubt an ›den Menschen‹, und das steht einem ja auch allerliebst und putzt ungemein. Bei glücklich disponierten Naturen kann diese Phase sich lange halten, wenn es gelingt, den Erkenntnisprozeß als Lernprozeß zum Stillstand zu bringen, wozu erreichte Berufsziele, hedonistische Saturiertheit, Öffentlichkeitsapplaus und dergleichen gute Hilfe leisten. Mir war, ich gestehe das beklommen ein, diese schöne Zeit nicht lange beschieden." :!:

In Sachen Unterdrückung und Auslöschung der Beginenbewegung merkt der Autor an, daß dies "neben den Kreuzzügen und den Hexenjagden – zu den traurigsten Kapiteln der Kirchengeschichte" gehört. (S. 241)

Das recht erotisch anmutende "Fließende Licht der Gottheit" der Mechthild vom Magdeburg wird besprochen, "Wie ein Liebhaber von der Geliebten wird Gott hier angerufen!" (S. 242), "Ich finde das spannend, ich finde das hochinteressant." (S. 244) "Denn der Eros und die Spiritualität sind für Mechthild keine Gegensätze, sondern verbinden sich zu einer inneren Einheit."

"Dass aller 'irdischen Erscheinungen Pracht' bei Hadewijch geringgeschätzt wird, könnte man als Weltverachtung kritisieren" (S. 249); oder loben, schätzen, wertfrei registreieren … je nachdem.

"Eine edlere und schönere Braut, als ihr je gesehen, will ich heimführen, die an Wohlgestalt alle übrigen weit übertrifft und an Weisheit alle überragt" soll Franz von Assisi gesagt haben, gemeint war "Frau Armut", hübsch … (S. 253)

Auffallend "weltlich" erscheint uns der Autor in diesem Buch immer wieder, z.B. sehr in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter unterwegs … "Eine aus heutiger Sicht höchst seltsame und völlig unsinnige Bestimmung!" (S. 254, über eine nicht wirklich frauenfreundliche Ordensregel.)

Zum "Jesus-Gebot einer gesunden Selbstliebe" (S. 255) fällt mir umgehend Luthers durchaus zutreffender Ausspruch vom "Madensack" ein …
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rodger
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

VIII

Das irdische Leben als "Übergangs- und Bewährungszeit für das eigentliche Leben", interessante Betrachtungsweise des Konrad von Würzburg (S. 260).

"Der verwunderte Ehemann bemerkt mit Erschrecken, dass auch seine angetraute Frau vor lauter Sehnsucht nach dem Ritter vergeht" … Apart formuliert. (S. 264)

"Allein nur deshalb, weil die Dame und ihr Ehemann dem Gesetz nach verheiratet sind, muss die Liebesbeziehung zwischen der edlen Frau und ihrem Ritter (auch römisch-katholisch gesehen) nicht von vornherein dem 'Willen Gottes' widersprechen. (S. 267)

"Auf Erden wird diese Liebe von Mann und Frau gleichsam eingeübt, in der Ewigkeit aber gelangt sie […] zu ihrer Vollendung." (S. 269)

Bei den Ausführungen zum Frauenbild des Thomas von Aquin beschlich mich gedanklich zugegebenermaßen die in diesem Forum schon einmal erwähnte Sache mit der Elo-Zahl bei Schachspielerinnen …

Das von Johannes XXIII initiierte Reformkonzil spricht in für mich in der Tat überraschender Weise von "grundlegender Gleichheit aller Menschen" (S. 274), wozu mir freilich umgehend "Die Gleichheit der Menschen mag ein Recht sein, aber keine Macht der Welt kann sie zu einer Tatsache machen" einfällt …

Schöne Formulierung in Sachen Dante (S. 280), "Zuletzt verlieren – oder gewinnen – sich der Seher und seine Begleiterin im mystischen Licht der Gottheit." (S. 280)
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rodger
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

IX

Schöne Verse von Francesco Petrarca auf S. 289.

Schönes, bemerkens- und bedenkenswertes Aristoteles- (bzw. Brockmeier- ?) Zitat auf S. 294.

Der Liebe von Mann und Frau ist, so unser Autor, "sofern sie aus der Tiefe des Seelengrundes kommt, ein (möglicherweise unbewusstes oder uneingestandenes) Verlangen nach Ewigkeit eingestiftet." (S. 307)


X

"Schau dich um in deiner Welt, in deinem Leben, und vergiss nicht, dass du einen Leib hast", hübscher Satz des kathologischen Theologen Gottfried Bachl (S. 322) Aber "Auch in Boccaccios 'Il Decamerone' oder in Christine de Pizans 'Stadt der Frauen' wird die echte Liebe von Mann und Frau als Himmelsgeschenk betrachtet, das sich im Erdendasein keineswegs erschöpft." (S. 344)

"Freude am Körper und das erotische Spiel der Sinne könnten ihren Wert und ihre Bedeutung einerseits in sich selbst haben und zugleich ein beglückendes Vorspiel sein für die Seligkeit in der kommenden Welt." (S. 344)

Schöner Schlußsatz bzw. Schlußfrage (S. 354) (Energiefelder, von irdischen Fesseln befreit …)
Hermann Wohlgschaft
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Rüdiger hat das Buch offenbar sehr gründlich, Kapitel für Kapitel, gelesen und gleichzeitig markiert, was er gut oder weniger gut findet bzw. welche Assoziationen er spontan mit dem Gelesenen verknüpft. Die Rückmeldung freut mich sehr. :wink:
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rodger
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

Wir kommen zum II. Band …

XI

Das Buch beginnt reizvoll mit einem lakonischen Zitat Martin Luthers. "Wir sind Bettler. Das ist wahr."

"Die Lust an der Liebe, der Hunger und Durst nach sinnlichen Erfahrungen, das Verlangen nach erotischen Erlebnissen, ja im letzten die Sehnsucht nach umfassender, den Leib und die Seele – ganz und für immer – durchdringender Liebe gehört unabweislich zum Leben, zur menschlichen Existenz." (S. 15)

Als "Luthers Hauptanliegen" nennt Hermann Wohlgschaft "den Vorrang der göttlichen Gnade vor dem menschlichen Tun." (S. 18)

Reizvoll im 2. Abschnitt des Kapitels schon die Überschrift, "Der um sich selbst kreisende Mensch" … Sie werden, kann man den Eindruck haben, immer zahlreicher.

"Denn wer sein Ich nicht überschreitet, wird unfähig zur Liebe, zur echten Begegnung mit einem Du", S. 21.

"der lieblose, in sich selbst 'gekrümmte', nur um das eigene Ich kreisende Mensch", S. 21.

Die Selbstbezogenheit des Menschen, der sich "der göttlichen Gnade verschließt", für Luther Inbegriff der 'Sünde'. (S. 21)

"Vielleicht hält Narziss seine Situation für ebenso reizvoll wie aussichtslos", S. 23, interessanter Gedanke … vgl. Morgensterns "Ich hatte mich im Hochgebirg verstiegen / Die Felsenwelt um mich, sie war wohl schön …"

"Es gibt sehr gute – praktische wie auch theologische – Gründe, die für eine Aufhebung des gesetzlichen Zölibats sprechen" (S. 29).

"Für Gläubige aller Konfessionen und aller Religionen ist das Erdendasein ja nicht das Ganze der Wirklichkeit" (S. 33) Wohl wahr.

Die Frage auf S. 35 oben "Wird Gott sich ihrer dennoch erbarmen" usw. ließ mich umgehend an das "Vielleicht doch - doch - - doch --- doch!" (als Antwort auf eine ganz ähnliche Frage) aus einem anderen Buch denken (wer nicht weiß wo das steht hat Pech gehabt, sowas gehört in Sachen Karl May zur Allgemeinbildung … :D ) ...

Eine interessante Frau scheint die Teresa von Avila gewesen zu sein, ein "exzellentes Beispiel" für die "unendliche Sehnsucht", die "das menschliche Du transparent werden lässt für das absolute, alles umfassende Du" (S. 41), laut dem päpstlichen Gesandten Sega indes "ein unruhiges Frauenzimmer, herumstreundend, ungehorsam und verstockt" (S. 44).

(wird fortgesetzt)
Hermann Wohlgschaft
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Bei der Frage S. 35 oben dachte ich tatsächlich an besagte Stelle in besagtem Buch. :wink:
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rodger
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von rodger »

XII

In Sachen Romeo und Julia, "Die Frage, ob die Beiden als normales Ehepaar auf die Dauer miteinander glücklich würden, wird bei Shakespeare gar nicht erst gestellt", darum geht es ja auch nicht, denn "Die Botschaft geht […] in eine andere, eher metaphysische Richtung" (S. 52)

"Denn es gibt sie leider nicht." (S. 53, in Sachen Dulcinea von Toboso) erinnert in seiner trockenen Lakonie und Einprägsamkeit an "Dergleichen geschah nicht auf Erden" bei Thomas Mann (siehe dort). Auch (z.B.) an Klara May (u.v.a. …) kann ein geneigter Leser sofort denken … Es gibt das Wunschbild, in den Köpfen der Partner, aber nicht wirklich dessen Entsprechung …

Das Dostojewski-Zitat "Einen Menschen lieben, heißt ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat" (S. 60) erinnert ein wenig an Brechts Herrn Keuner, der vom Objekt seiner Liebe jeweils einen Entwurf machte und sorgte, daß der Mensch dem Entwurf näher werde …Lassen wir doch einfach die Menschen sein wie sie sind (und verzichten ggf. auf ihre Gesellschaft :D ).

Das Ausrufezeichen auf S. 63 hinter "geküsst hat" irritiert ein wenig, wenn es denn etwa als Zeichen der Verwunderung gemeint sein sollte … Liebe und Hass gehören nun mal eng zusammen bzw. können eng zusammen gehören …

Ebenfalls etwas irritierend die "dämonischen Mächte" (S. 65), Eifersucht, Hass, Tötungsdelikte oder Suizide lassen sich auch ganz nüchtern und weltlich betrachten … der Mensch hat halt allerhand in sich …

In Sachen Franz von Sales mag man ("alle Menschen als Kinder Gottes […] – bestimmt zum ewigen Heil in der Liebesgemeinschaft mit Gott" (S. 74)) ggf. zunächst noch respektlos so etwas wie "Schmarr'n" denken (nicht in Sachen Wohlgschaft, sondern in Sachen von Sales), die Charakterisierung Heinrich Federers über von Sales auf der nächsten Seite läßt dann aber ein wenig aufhorchen, und die ihm zugeschriebene Devise "Gott ist nicht kleinlich" (in Sachen individueller Freiheit des Einzelnen) gleich noch einmal.

Gelungene diplomatische Formulierungen in Sachen [körperliche] Erfüllung oder Nichterfüllung hien iden auf S. 78 oben.
mugwort
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Re: "Unsterbliche Paare" von Hermann Wohlgschaft

Beitrag von mugwort »

rodger hat geschrieben: Das Dostojewski-Zitat "Einen Menschen lieben, heißt ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat" (S. 60)
Das ist mal ein Satz, der unter die Haut geht. Aber wie.

rodger hat geschrieben: erinnert ein wenig an Brechts Herrn Keuner, der vom Objekt seiner Liebe jeweils einen Entwurf machte und sorgte, daß der Mensch dem Entwurf näher werde …Lassen wir doch einfach die Menschen sein wie sie sind (und verzichten ggf. auf ihre Gesellschaft :D ).
Widerspruch! Ich weiss ja nun nicht, was Dostojewski gemeint hat. Allerdings: Wenn ich das Zitat so lese, wie es da steht, erinnert gar nichts an Herrn Keuner und seine Entwürfe. Die Liebe, die beschrieben wird, ist ohne Bedingung und Veränderungsanspruch. Ein Spiegelbild der göttlichen Liebe?

Verzicht ist übrigens wohl zulässig - dem Einzelnen dürfte nicht aufgegeben sein, allen Menschen diese Form der unbedingten Liebe zuteil werden zu lassen.

Viele Grüße
mugwort
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