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Appetitliches aus Kurdistan

Verfasst: 3.6.2007, 10:32
von StefanS
Hallo,
aus dem Anlass , dass die Reihe der Sonderbände des KMVs in diesem Juli 10 Jahre alt wird, habe ich vor ein paar Tagen mit der Lektüre von "Mein Hengst Rih" begonnen. Auf Seite 145 stolperte ich über folgende appetitanregende Stelle, die mir in "Durchs wilde Kurdistan" bis dato nicht aufgefallen war:
Gegen Ende des Mahls stellte es sich heraus, daß die Speisen nicht für alle langten, und so erhielten die ,Trollgäste' ein lebendiges Schaf, das sie sich gleich selbst zubereiteten. Der eine machte ein Loch in die Erde; andere holten Steine und Holz zur Feuerung herbei. Derjenige, den die Wahl getroffen hatte, ergriff das Schaf, schnitt ihm die Kehle durch und hing es mit den zusammengebundenen Vorderbeinen an einen Balkenpflock auf. Die Eingeweide wurden nicht herausgenommen, sondern der Kurde nahm einen Mund voll Wasser, hielt die Lippen an ¨¨¨¨ des Thieres und blies das Wasser hinein. Er fuhr in dieser possierlichen Beschäftigung so lange fort, bis die Eingeweide vollständig aufgebläht und nach oben hinaus ausgespült waren. Dann wurden die Gedärme in so viele Stücke zerschnitten, wie Männer von dem Schaf essen sollten; auch das Fleisch des Schafs wurde in eben so viele Teile zerlegt. Nun wickelte ein jeder sein Stück Darm um sein Fleisch und legte dieses Präparat in das mit den Steinen ausgekleidete Loch, über dem ein Feuer angemacht wurde. Schon nach kurzer Zeit wurde es wieder weggenommen, und die halbgaren Stücke gingen zwischen den Zähnen der Kurden ihrer nützlichen Bestimmung entgegen.
Noch unbearbeitet, aber sehr ähnlich befindet sich dieser Textauszug auch in den Originaltexten Mays.
Seltsamerweise ist er in Bd. 2 der GW (aktuelle Auflage nach der leicht rückbearbeiteten Jubiläumsausgabe) aber nicht aufzufinden. Carl-Heinz Dömken nun hat "Mein Hengst Rih" auf jeden Fall vor dieser leichten Revidierung (2001) zusammengestellt, bzw. geschrieben, er wird sich demnach an der älteren GW-Fassung orientiert haben.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die ursprünglichen "Grünen" haben diese Stelle anscheinend enthalten, Hans Wollschläger hingegen hat sie für die Jubiläumsausgabe gestrichen, was aber nicht im Sinne einer "Rückbearbeitung" sein dürfte.
Was hat ihn dazu verlasst? Es kann ja nicht nur die Appetitlichkeit der Stelle sein.

Stefan Schawe

Verfasst: 3.6.2007, 11:50
von rodger
Die Texte der in den Sechzigerjahren erschienenen Jubiläumsausgabe waren teilweise näher am Original als andere, zwischenzeitlich erschienene Varianten, wobei natürlich im Einzelfall trotz Rückbearbeitung auch eine Stelle gestrichen sein kann, die vorher, auch in einer ansonsten stark veränderten Variante, noch stand.

Bei den Bänden 1-9 handelt es sich mittlerweile wieder um die Texte der Jubiläumsausgabe. Insofern ist es, um genau zu sein, so, dass es sich damals um Rückbearbeitungen handelte, heute eher um Rückkehr von einer stärker veränderten Fassung zu einer (vorhandenen, älteren) Rückbearbeitung.

Die Bearbeitungstätigkeit Wollschlägers ist Jahrzehnte her, wobei ich nicht weiß, ob er auch für den „Kurdistan“-Band zuständig war.

Was ihn im Einzelfall zu Änderungen veranlasst hat, lässt sich natürlich schwer sagen; in Winnetou I fehlt z.B. eine Anklagerede Nscho-Tschis gegen Tierversuche bzw. gewisse grausige Begleiterscheinungen beim Zubereiten von Aalen und Krebsen, außerdem eine Stelle, wo Old Shatterhand, unmittelbar nachdem er von Nscho-Tschi einen letzten Blick auffängt, mit dem sie scheinbar fürs Leben von ihm Abschied nimmt, geradezu albern herumkaspert (er tut so, als ob er die Wassertemperatur prüfen wolle, bevor er zum Zweikampf hineingeht, und schreibt dann: „ich tat aber womöglich noch niedergeschlagener als vorher, kauerte am Wasser nieder und wusch mir die Stirne, wie Einer, welcher befürchtet, einen Schlaganfall zu bekommen, wenn er in das Wasser geht, ohne sich vorher abzukühlen“), das war Wollschläger wohl „einer zuviel“, dabei gehören sie zu Karl May, diese irren Sprünge zwischen ganz verschiedenen Befindlichkeiten.

Vermutlich geht jeder Bearbeiter von seinem persönlichen Geschmack aus, und so fallen denn Bearbeitungen Wollschlägers erwartungsgemäß auch anders aus als solche von E.A.Schmid oder Franz Kandolf, aber das hilft nichts: ich will, wenn ich Karl May lese, Karl May lesen, und nicht das was Schmid, Kandolf oder eben auch Wollschläger gerne gehabt hätten.

(Ich habe die meisten meiner grünen Bände gestern, im Zuge einer Umstrukturierung und Neuverteilung von Regalplatz innerhalb der Wohnung, in Schubladen gepackt, eventuell kommen sie auch noch im Karton in den Keller: haben möchte ich sie schon noch, zum Nachgucken und Vergleichslesen, aber jeden Tag draufgucken, das muß ich nicht haben. Es gibt ja auch bald die HKA aus dem KMV.)

:wink: