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von H. Mischnick » 23.4.2008, 16:20
Nachdem die äußere Gestalt vorübergehend wechselte, soll nun auch die Zeilenoptik an der Reihe sein? Die geplante Zeilenzählung stört den Lesefluß erheblich. Wenn beispielsweise "Waldröschen I" neu aufgelegt werden müßte, dann mit Zeilenzähler am Rand, was fast einem Neusatz gleichkäme, sieht dieser Reihentitel innen anders aus als die weiteren der Altauflage. Könnten die dann unterschiedlichen Ausführungen innerhalb einer Reihe nicht langjährige Abonnenten verärgern? Und die HKA richtet sich nun einmal nicht an einen kleinen Wissenschaftlerkreis, sondern an einen größeren Kreis von Lesern, jene, die Karl May im Urtext in eigener Ästhetik lesen wollen. Die Zeilenzählung ist ein eklatanter Stilbruch, da bereits 48 Bände ohne sie erschienen sind. Und wie will man dann mit Gedichten im Fließtext verfahren? Bekommen die eine Zusatzzählung?
Die HKA richtet sich an einen größeren Interessentenkreis als übliche wissenschaftliche Textausgaben von Literatur; diese verlangen dann aber auch keine äußere optische Ästhetik und können, einfacher gebunden, zu einem geringeren Preis als 40 Euro abgegeben werden! Das Plus der HKA war bislang die Einheit von äußerer Gestaltung, Ästhetik der HKA-Garamond und manuskriptnaher Textfassung. Die HKA ist die Entsprechung der "Grünen Gesellen" für Liebhaber ungestörter Originaltexte, wissenschaftlich zitierbar, doch wird vor allem auch der Sammler angesprochen. Zeilenzählung stört den Lesefluß und lenkt ab.
/Ironie an/
Kann man dem mengenlehregeschädigten deutschen Leser nicht mehr zumuten, beim Zitieren die Zeilen selbst zu zählen? Oder soll anhand dieses drastischen Beispiels vor Augen geführt werden, daß manche Verleger Karl May Zeilenhonorar entrichteten, und anhand der Zeilen der Leser dessen mögliches Honorar ermiteln können? Sollen etwa gar die geduldigen Sammler von Varianten dazu veranlaßt werden, sich ein Exemplar einer Neuauflage eines Bandes der HKA mit und eines der Altauflage ohne Zeilenzählung zuzulegen? Der Sammlerfreude ist nur dann Genüge getan, besitzt man beide Variationen? Sieht sich der erlauchte Kreis, der solch gravierende Änderung beschloß, als Kultusministerkonferenz der Karl-May-Szene, gewillt, dem Leserkreis Neuregelungen aufzudrücken, die dieser möglicherweise in Form eines höheren Preises bezahlen soll? Ist das die neuere innere Optik von Publikationen, die in Obhut der Karl-May-Gesellschaft erstellt werden? Erscheinen demächst auch Mitteilungen, Nachrichten, gar Jahrbücher im neuen inneren Dekor? Die "Rechnung auf der Linihen" des Adam Ries war ein wichtiges Instrument für die Gelehrten seiner Zeit, diejenige der HKA jedoch könnte eine ohne den Wirt alias Käufer gemachte sein.
/Ironie aus/
Der Zeilenzähler in der gelungenen Ausgabe von "Ardistan und Dschinnistan" des KMV nach dem Manuskript fällt in deren Satzspiegel nicht weiter auf, stört jedoch in der weniger zeilenbreiten HKA sehr. Etliche Abonnenten, aber auch sporadische Käufer, werden sich das wahrscheinlich nicht gefallen lassen.